Re: Roger McGuinn in der Passionskirche Kreuzberg

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norbert

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H.P. Daniels schrieb eine Konzertkritik für den Berliner Tagesspiegel:

Roger McGuinn: Eight Miles High aus der Sakristei
Jingle-Jangle, Dingel-Dengel: Roger McGuinn, der frühere Chef der Byrds und große Dylan-Interpret, spielt ein berauschendes Konzert in der Passionskirche.
13.7.2009 8:20 Uhr H.P. Daniels

Punkt acht kommt Roger McGuinn aus der Sakristeitür der Passionskirche gedingelt und gedengelt, mit der roten 12-saitigen Rickenbacker-Gitarre und seinem typischen „Jingle-Jangle“-Erkennungssound. Der dünne Mann in Komplettschwarz – Hut, T-Shirt, Lederweste, Jeans, Cowboy-Stiefel – geht ans Mikro und singt „My Back Pages“ von Bob Dylan: „I was so much older then, I’m younger than that now“. Ganz alleine ist er gekommen und schließt damit den Kreis einer imposanten Musikerkarriere, die er vor etwa fünfzig Jahren als Folkie in den Coffee Houses und Folk-Clubs von Chicago begonnen hatte.

Nur dass er damals noch nicht aus so einem gewaltigen Fundus von exquisiten eigenen Songs und Hits schöpfen konnte. Lieder, die einem heute noch einmal klar machen, was für eine herausragende Band die kalifornischen Byrds von 1964 bis 1973 waren, mit ihrem Chef, Sänger und Gitarristen McGuinn.

Und was für ein unverwechselbarer Sänger er heute noch ist, mit seiner hohen Flatterstimme. Was für ein außerordentlicher Gitarrist, mit seiner atemberaubenden Anschlagtechnik, bei der er gleichzeitig ein Plektrum zwischen Daumen und Zeigefinger hält und auf den anderen Fingern metallene Fingerpicks benutzt: eine Kombination aus Gitarren- und Banjo-Technik.

Frenetisch bejubeln die entzückten Fans jeden einzelnen Song. Die meisten davon stammen aus dem Byrds-Repertoire, wirken aber alle frisch und neu. Keine Spur von runtergenudelter Oldie-Show. McGuinn lacht und erzählt kleine Anekdoten: Wie Bob Dylan einmal die Byrds gefragt habe, was sie denn da gerade für ein Lied spielten? „All I Really Want To Do“ war Dylans eigener Song im Byrds-Stil. „Klingt gut!“ habe Dylan gesagt. Klingt auch heute noch gut, wie McGuinn ihn interpretiert.

Gut klingt auch seine 7-saitige Martin-Akustikgitarre. Auf der spielt er dann auch „Eight Miles High“, mit den außergewöhnlichen, vom Jazzsaxofonisten John Coltrane inspirierten, modalen Tonfolgen. „Mr. Tambourine Man“ natürlich wieder auf der elektrischen Rickenbacker. Nach ein paar Zugaben tost nicht enden wollender Jubel für ein berauschendes Konzert.

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