Re: James Brown

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:: King Heroin ::

Die erste Single, die 1972 erschien, war schon 18 Monate zuvor aufgenommen worden: Talkin‘ Loud and Sayin‘ Nothin‘ (dazu hier).

Das neue Label Polydor eröffnete Brown auch neue Möglichkeiten hinsichtlich der Bedingungen, unter denen er Musik aufnehmen konnte: er hatte unbegrenzt Zugang zu den Studios, nahm zeitweise fast täglich auf. Zudem versuchte Brown, seine Musik mehr in Richtung Mainstream zu ändern. Schon in den 60ern hatte er hie und da für traditionellere R&B-Alben wie Showtime oder Pop-Songs wie „Prisoner of Love“ mit Studio-Musikern gearbeitet, er hatte aber Zweifel daran, dass diese Musiker auch für seine eigene Musik geeignet seien. In den frühen Siebzigern entdeckte Brown eine neue Generation von Studio-Musikern – sie waren mit SEINER Musik gross geworden und dementsprechend ohne Mühe in der Lage, seine Musik auch im Studio zu spielen – ebenso wie sie mit traditionellerem R&B vertraut waren. Brown arbeitete abwechselnd mit seinem musical director Fred Wesley und mit David Matthews als Arrangeuren/Bandleadern und produzierte u.a. Stücke wie „King Heroin“, „I Got a Bag of My Own“, „Down and out in New York City“, ein Remake von „Think“, „Funky President“ oder „My Thang“.
Unter den Studio-Musikern fanden sich zum Beispiel Marvin Stamm, Joe Farrell, der ältere Seldon Powell, Sam Brown, Joe Beck, Billy Cobham, die Brecker Brothers (Randy und Michael), Jon Faddis, David Sanborn, Lew Soloff, Frank Vicari, Cornell Dupree, Wilbur Bascomb, Buster Williams und Steve Gadd. Auch Pee Wee Ellis kehrte hie und da zurück.

Unter Leitung von Dave Matthews (mit einer Studio-Band, Billy Cobham sitzt an den Drums) wurde im Januar die zweite Single des Jahres eingespielt: King Heroin (R&B #6, Pop #40), ein Song, der wie „Don’t Be a Dropout“ von pädagogischem Charakter ist… die Band spielt einen langsamen Shuffle (entfernt an „Prisoner of Love“ erinnernd) und Brown singt oder vielmehr spricht darüber von den verheerenden Wirkung, die Heroin haben kann. Die B-Side ist eine rein instrumentale Version der Single (der Gesang war auch auf auf der A-Side erst später eingefügt worden). Die Single ist sowohl auf „Star Time“ wie auch auf der Compilation Make It Funky – The Big Payback: 1971-1975 zu finden.

:: There It Is ::

Die dritte Single war das im Februar 1972 aufgenommene There It Is (R&B #4, Pop #43), eine zweiteilige, mitreissende Funk-Single. Eingespielt mit Browns eigener Band gehört das Stück mit seinem einfachen aber sehr effektvollen Groove zu den Nummern, in denen Fred Wesleys oben geschilderte Strategie perfekt aufging.
Das Stück wurde zum Titeltrack von Browns drittem Polydor-Album. Auch dieses Album wurde wieder um ein paar der erfolgreichen Singles der vergangenen Monate herum aufgebaut: „Talkin‘ Loud“, „There It Is“, „King Heroin“, „I’m a Greedy Man“ und „Public Enemy“ wurden verwurstet, dazu ein paar Füller ergänzt.
Die A-Side von „There It Is“ ist übrigens in der Mono-Version auf „Star Time“ zu hören, die vollständige Version auf „Make It Funky“ ist in Stereo.

Ein paar Tage zuvor war Fred Wesley mit ein paar Studio-Cracks zugange und nahm die Stücke „J.B. Shout“ und „Blessed Blackness“ auf, beide auf der Compilation Funky Good Time: The Anthology zu hören. „Blessed Blackness“ war ein Stück, das Wesley schon 1966 geschrieben hat – und er war nervös, als die Studio-Cracks die Nummer einspielten:

„Having never done arrangements for people this caliber… that was a scary thing to put me through,“ Fred says. „But I thank James for it. And for the most part, the musicians themselves recognized the fact that I was a novice. They didn’t make it as difficult for me as they could have. Once I got accustomed to having the greatest cats in the world interpret anything that James or I came up with, the process became a great luxury for me.“

~ Alan Leeds, Liner Notes zu „The J.B.’s – Funky Good Time: The Anthology“, Polydor 2CD, 1995

Die „greatest cats“ waren an diesem 1. Februar 1972 vermutlich Randy Brecker, Marvin Stamm, Jerry Dodgion, Joe Farrell, Hugh McCracken oder Sam Brown, Bob Cranshaw und Jimmy Madison. Das exquisite „Blessed Blackness“ landete auf dem schon im 1971er Post erwähnten ersten Album der J.B.’s, Food for Thought, während der „J.B. Shout“ nur als B-Side einer People Single veröffentlicht wurde (laut discogs war das die People-Single „Back Stabbers“ – ein Track von Dave Matthews).

:: Honky Tonk ::

Die darauf folgende Single Honky Tonk, wieder in zwei Teilen (R&B #7, Pop #44). Sie ist weder auf „Star Time“ noch auf „Make It Funky“ zu hören, groovt aber ganz schön toll – ein Update des alten R&B Sounds, den Brown schon in den 50ern gespielt hat und zu dem er immer wieder zurückgekehrt ist. Die A-Seite der Single, die unter dem Bandnamen „The James Brown Soul Train“ lief, ist auf „Funky Good Time“ zu finden. James Brown spielt Orgel und St. Clair Pinckney steuert ein dreckiges R&B Tenorsolo bei, das streckenweise an die antics von Robert McCullough erinnert aber aus der grossen R&B Tenorsax-Tradition schöpft.

Auf CD zu hören ist „Honky Tonk“ auch auf Vol. 8 der Singles Doppel-CDs, die Hip-O-Select herausgibt (soeben ist Vol. 10 erschienen, das die Jahre 1975-79 abdeckt). Ich habe diese Reihe bisher nicht erwähnt, aber sie dürfte sowieso bekannt sein. Die CDs enthalten alle Singles, B-Sides, Versionen, auch zurückgezogene oder bloss geplante und nicht erschienene Singles. Die ersten paar Volumes (1-3 und 5) sind höchst vergriffen leider, ich hab Vol. 6 herumstehen und kaufe wohl noch weitere – aber die Herangehensweise ist mir nicht die liebste, da die Musik so komplett ausserhalb der (Entstehungs-)Chronologie präsentiert wird und natürlich auch nicht komplette Versionen zu hören sind sonder eben die exakten, damals erschienenen/geplanten Single-Edits. Die Präsentation ist allerdings vorzüglich, wie ich das aufgrund des Live at the Garden Reissues von Hip-O auch erwartet hatte!

Während dieser Session kam es mal wieder zu Reibereien zwischen dem Boss und der Band. Fred Wesley berichtet:

Prior to his arrival, the band started grumbling to Fred Wesley about money. As leader, Fred was elected to confront the boss.
„I Said, ‚Mr. Brown, we ain’t playin‘ nothing until we get paid for the last session we did,'“ Wesley recalls. „He walked right past me like he didn’t see me and called out, ‚Who said that?‘ Nobody moved. Then he turned around, pointed his finger, and fired me.
Fred returned to the bus to gather his belongings. After a few minutes, however, he was summoned to continue the session. Duly penalized yet still fuming, Fred kept his composure enough to help produce Lyn Collins‘ „Think (About It),“ plus „Honky Tonk“ and „Dirty Harri“ with the boss on organ.

~ Alan Leeds, Liner Notes zu „The J.B.’s – Funky Good Time: The Anthology“, Polydor 2CD, 1995

„Dirty Harri“ ist eine weitere Nummer mit diesem langsamen Orgel-Groove, den Brown beherrschte – ein Nachfolger von Stücken wie „Devil’s Den“ oder „The King“. Wie Pt. 1 von „Honky Tonk“ ist auch „Dirty Harri“ auf „Funky Good Time“ zu finden, der J.B.’s Anthologie. Die erwähnte Single von Lyn Collins ist auf Compilation „James Brown’s Original Funky Divas“ zu hören.

Im Februar entstand auch „Public Enemy #1 (Pt. 1)“, das später im Jahr als B-Side der Single „I Got a Bag of My Own“ (R&B #3, Pop #44) veröffentlicht wurde. Über einen langsamen Shuffle und einen Background aus satten Bläsern und Gitarren singt und spricht und schreit Brown seinen Text. Zu finden ist das Stück auf „Star Time“.

:: Get on the Good Foot ::

Im Mai nahm Brown seine nächste Single auf – und landete mit Get on the Good Foot (Pts. 1 & 2) auch seinen nächsten #1-Hit (Pop #18). Der Groove ist einfach aber mitreissend, der Track hat aber auch einen kleinen Zwischenteil, der die endlosen Riffs kurz etwas auflockert. Zu hören ist die ganze Version auf „Make It Funky“ – sie gab auch dem zweiten Polydor-Album des Jahres den Namen – auch das ein bunt zusammengewürfeltes (Doppel-)Album, dessen 14 Stücke zwischen Oktotber 1970 und September 1972 entstanden waren.

Im Juni entstand auch die auf „Funky Good Time“ zu hörende zweiteilige J.B.’s Single „Givin‘ Up Foor for Funk“ (ursprünglich auf People). Brown schrieb das Stück mit Fred Wesley und spielte Orgel. Eine weitere People-Single, die unter Wesleys Namen erschien, war „Watermelon Man“. Im Oktober spielten die J.B.’s (mit Rückkehrer Eldee Williams am zweiten Tenor neben St. Clair) eine Version von Herbie Hancocks Hit ein – mit James Brown an den Drums. Das Arrangement dürfte wohl von Fred Wesley stammen, der auch das Thema spielt. Besonders toll ist Fred Thomas‘ Groove am Bass.

:: Bag of My Own ::

Im September 1972 spielte Brown einmal mehr im Apollo Theater in New York. Eine tolle Version von „Gimme Some More“ wurde auf „Funky Good Time“ zum ersten Mal veröffentlicht. Jabo Starks wird an den Drums von John Morgan ergänzt, der Groove ist lebendig wie selten in dieser Zeit, und Fred Wesley bläst ein schönes kurzes Solo, derweil der Boss an der Orgel sitzt.
Auf Motherlode ist als Opener eine heisse Version von „There It Is“ zu hören, die auch von diesen Apollo-Mitschnitten stammt.

Die nächste Single war „I Got a Bag of My Own“ b/w „Public Enemy #1 (Pt. 1)“ (R&B #3, Pop #44) – die zehnte Top-10-Single seit „Escape-Ism“! Nur Pts. 3 & 4 von „Make It Funky“ landeten nicht in den Top 10 der R&B Charts. Dennoch wird die Musik mit der Zeit etwas eintönig… die Grooves sind satt und passen, Jimmy Nolen ist oft wieder prominent zu hören, neben Fred Wesley steuert auch Veteran St. Clair Pinckney hie und da gute Soli bei – aber eine gewisse Gleichartigkeit ist eben nicht zu überhören.
Auf „Bag of My Own“ ist allerdings eine Studio-Band zu hören, Gorden Edwards spielt ein rollendes Basslick, das sich mit Jimmy Madisons Drums und (vermutlich) Johnny Griggs Congas zu einem tollen Groove verbindet. Das Stück landete auch auf dem Album „Get on the Good Foot“.

Auch das nächste Stück, das auf „Make It Funky“ zu hören ist, „Down and Out in New York“, wurde mit Studio-Musikern eingespielt. Dieses Mal ist die Band unbekannt, bis auf Pat Rebillot (elp), Sam Brown (ac g), Hugh McCracken oder Charlie [Sam?] Brown (el g), Steve Gadd (d) und Buster Williams (b). Letzterer scheint Fred Wesley, der die Nummer arrangiert hatte, einige Mühe bereitet zu haben:

„I transcribed those mutterings [mit denen JB Wesley erste Ideen fürs Arrangement gab] into musical terms,“ he [Wesley] continues. „Then it had to go from me to (drummer) Steve Gadd, which was easy because he understood what I was saying and did it without any question. On the other hand, (bassist) Buster Williams was pretty set in his ways. He was a pure jazz player and even though it was a call session, he didn’t feel like doing something that far off his style. But when he finally did it, it was wonderful.“

~ Alan Leeds: „James Brown – Turn on the Heat“, Liner Notes zu: James Brown: „Make It Funky – The Big Payback: 1971-1975“, Polydor 1996.

Das Stück wurde für Black Caesar aufgenommen – Browns ersten Ausflug in die Produktion von Filmsoundtracks.
Am Ende der Compilation „Make It Funky“ ist dann noch ein zweiminütiges Interlude über „Make It Good to Yourself“ zu hören. Die ersten 3:15 der Aufnahme landeten auch auf dem Soundtrack für „Black Caesar“, der Auschnitt hier stammt von später auf demselben Band.

Auch auf dem „Black Caesar“ Album zu hören war der Track „Blind Man Can See It“. Auf der 2003er CD von In the Jungle Groove findet sich davon als Bonustrack ein über sieben Minuten langer „extended mix“. Prominent zu hören ist ein E-Piano, vermutlich von Dave Matthews gespielt. Der Groove ist relaxed, locker und äusserst reduziert, wird aber mit der Zeit dennoch fast hypnotisch…

Aus dem Jahr 1972 stammen überdies ein paar der tollsten Stücke von Sängerinnen aus JBs Truppe – besonders erwähnenswert sind Lyn Collins‘ „Think (About It)“, das in den April-Sessions eingespielt wurde, und Vicki Andersons „Don’t Throw Your Love in the Garbage Can“ vom März. Zu hören sind die beiden Tracks mit weiteren auf James Brown’s Original Funky Divas.

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