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Daniel_BelsazarDa scheint aber doch eine erhebliche Missdeutung von Adorno vorzuliegen. Das besagte Zitat lautet „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ – „Falschen“ wohlgemerkt großgeschrieben, also im Sinne von „in dem Falschen“. Und damit ist nicht etwa irgend ein indivudelles Leben gemeint, sondern der gesamte gesellschaftliche Zusammenhang des von Adorno zumindest zeitweise so verstandenen Spätkapitalismus. Dieser konstituiert genau das „Falsche“ – unter anderem mit der Bewußtseinsindustrie auch das falsche und natürlich notwendig ideologische Bewußtsein -, das alles durchdringt und umgibt und in dem eben grundsätzlich kein richtiges Leben möglich ist – und zwar für niemanden, vollständig unabhängig von seiner gelebten Sittlichkeit.
Individuell-psychologisch betrachtet drückt sich in dem Zitat wohl auch eine tiefe Verzweifelung darüber aus, dass das persönliche Leben in den falsche Zusammenhängen eben nie „richtig“ ist und es auch nie sein kann. Egal welchen Abzweig man auch wählt, am Ende steht eine Sackgasse. Das Zitat steht mithin auch für den endgültigen Verlust der Utopie, die als Gegenentwurf unmöglich geworden, und damit zugleich für den Triumph der Totalität des Falschen. Jeder Gegenentwurf zum Bestehenden, das besagt es nämlich ganz wesentlich, ist bereits wieder Teil des Falschen, weil in ihm geboren und von ihm geprägt und abhängig. Nicht umsonst heißt Adornos Hauptwerk „Negative Dialektik“. Meist sind das nicht gerade einfach nachzuvollziehende Denkfiguren, die er da entwickelt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Du hast das Zitat komplett falsch verwendet, es passt wirklich nicht zu dem, worum es dir geht.
Haben wir doch schon vor Stunden geklärt – daß ich das „Zitat“ auf den Fall hier umgedeutet habe. Mit etwas Geschick interpretiert, ist doch klar, was ich meine und daß ich auch in dem Zusammenhang richtig liege. Nämlich nichts anderes meine ich, als daß man in „falschen“ (auch kollektiven, gesellschaftlichen) Leben kein authentisches Kunstwerk hervorbringen kann. Mir ist natürlich schon klar, daß das Zitat verkürzt etwas Wiedergibt – aber das ist das Wesen der Zitate. Und aus der ganzen lektüre der „Ästhetischen Theorie“ heraus (übrigens auch aus dem Aufsatz „Kulturindustrie“ zu entnehmen) ist die Zielrichtung von Adornos Ansatz doch klar.
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Ich will auch mal was sagen!