Re: It’s the song, not the singer? Moral und Musik

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daniel_belsazar

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Beiträge: 1,253

SaarahUm Adorno (grob) zu zitieren: Es kann kein rechtes Kunstwerk aus einem falschen Leben entstehen.

SaarahSei mir nicht böse – aber Adorno meint damit schon ein bißchen was anderes.

SaarahKünstler sind selbstverständlich genauso fehlerbehaftet wie der Installateur oder der Uni-Prof, das wurde auch nie in Abrede gestellt. Aber ich tu mir schwer damit, wenn die Ideologie die Kunst bestimmt. Denn dann, und darum geht es auch bei dem Adorno-Zitat, kann kein Kunstwerk herauskommen.

Da scheint aber doch eine erhebliche Missdeutung von Adorno vorzuliegen. Das besagte Zitat lautet „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ – „Falschen“ wohlgemerkt großgeschrieben, also im Sinne von „in dem Falschen“. Und damit ist nicht etwa irgend ein indivudelles Leben gemeint, sondern der gesamte gesellschaftliche Zusammenhang des von Adorno zumindest zeitweise so verstandenen Spätkapitalismus. Dieser konstituiert genau das „Falsche“ – unter anderem mit der Bewußtseinsindustrie auch das falsche und natürlich notwendig ideologische Bewußtsein -, das alles durchdringt und umgibt und in dem eben grundsätzlich kein richtiges Leben möglich ist – und zwar für niemanden, vollständig unabhängig von seiner gelebten Sittlichkeit.

Individuell-psychologisch betrachtet drückt sich in dem Zitat wohl auch eine tiefe Verzweifelung darüber aus, dass das persönliche Leben in den falsche Zusammenhängen eben nie „richtig“ ist und es auch nie sein kann. Egal welchen Abzweig man auch wählt, am Ende steht eine Sackgasse. Das Zitat steht mithin auch für den endgültigen Verlust der Utopie, die als Gegenentwurf unmöglich geworden, und damit zugleich für den Triumph der Totalität des Falschen. Jeder Gegenentwurf zum Bestehenden, das besagt es nämlich ganz wesentlich, ist bereits wieder Teil des Falschen, weil in ihm geboren und von ihm geprägt und abhängig. Nicht umsonst heißt Adornos Hauptwerk „Negative Dialektik“. Meist sind das nicht gerade einfach nachzuvollziehende Denkfiguren, die er da entwickelt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Du hast das Zitat komplett falsch verwendet, es passt wirklich nicht zu dem, worum es dir geht.

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