Re: Jahrestage

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

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Sollten wir nicht vergessen, auch wenn’s nicht rund ist:

Als Sohn Wiener Juden aus der Mittelschicht spielte er, kaum war er in Hollywood angekommen, den Ersten Weltkrieg über preußische Offiziere und in dieser fremden Haut offenbarte er Maßlosigkeit: Erich Stroheim. In einem der Filme schmeißt er ein Baby aus dem Fenster, dabei abwesend grinsend – kein Wunder das „Von“ (den Namensteil hatte er sich selber in den Pass geschrieben) „the man you loved to hate“ wurde. Bald nach dem Krieg begann er selber zu drehen, Filme die in Old Europe spielten und Exzess und Ennui der oberen Zehntausend zeigten, ähnlich wie bei DeMille, was ihm ein dankbares US-Publikum gerne abnahm. Filme wie Merry-Go-Round oder Foolish Wives waren aber auch gut, weil Stroheim es durchaus verstand sich filmisch auszudrücken – und Prunk, Verschwendungssucht und Dekadenz prima und ohne mit der Wimper zu zucken auf die Leinwand brachte. Immer noch beeindruckend wie Stroheim in Foolish Wives zum Frühstück Kaviar, Ochsenblut und eine Platte gekochter Eier zu sich nimmt. Sein Opus Magnum sollte Greed, ein naturalistischer, gewaltiger Schmöker von einem Film werden, der mit einem Duell im Death Valley endet. Ursprünglich fast 10 Stunden lang, schnitt Stroheim, Konflikte mit den Produzenten ahnend, den Film auf sechs Stunden zusammen, aber auch das rettete den Film nicht vor einer Verstümmelung auf 2,5 Stunden. Nach eigenen Aussagen brach das Stroheim das Herz. Auch sein nächstes Großprojekt, Queen Kelly, dass Joe Kennedy seiner Geliebten Gloria Swanson schmiss, hatte Probleme. Detailfanatiker Stroheim, der angeblich sogar auf „echte“ Unterwäsche seiner Komparsen achtete, hatte das Geld bereits nach einem von geplant drei Teilen durchgebracht. Kennedy zog den Stecker und so blieb eine wie üblich wüste Geschichte einer „Mad Queen“, die La Swanson durch den Palast peitscht. Als Regisseur fand Stroheim danach keine Arbeit mehr, so ging er nach Europa, wo er sehr geschätzt wurde. In Jean Renoirs Meisterwerk La grande Illusion spielt er den deutschen Offizier, der klassenbewusst den adeligen Gegner schont, später dann in Billy Wilders Sunset Boulevard dann das perfekte Bild masochistischer Unterwerfung, den Chauffeur/Ex-Liebhaber von – Gloria Swanson. In Arthur Rabenalts Horror-Film Alraune konnte man in Deutschland seinen österreichischen Akzent bewundern – only in America konnte so jemand als wilhelminisches Monster durchgehen.

Am 12. Mai 1957 ist er gestorben.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.