Re: Lightning Seeds – Four Winds

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dennis-blandford
Jaggerized

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TheMagneticFieldWarum hast du denn kein gutes Lightning Seeds Album aufgelegt und geschwelgt?

Es war Zufall, magnetic. Ich hatte festgestellt, dass ich außer den beiden Riesenhits von der Platte nichts mehr im Gedächtnis behalten hatte. Außerdem fand ich die Riesenerdbeere ziemlich yummy!

nail75Weil „Cool Britannia“ inzwischen „Bankrupt Britannia“ ist. Das Land steckt in einer so tiefen Krise, dass der „winter of discontent“ im Vergleich relativ banal erscheint. Neben der Wirtschaft, deren Boom mehr als anderswo auf Sand gebaut war, befindet sich auch das politische System in einer tiefen, vielleicht sogar existentiellen Krise. Mit der Abwahl von Labour bei den nächsten Unterhauswahlen werden die modernisierten Tories die Regierung übernehmen und eine konservative Periode der britischen Geschichte einleiten, deren genaue Gestalt sich momentan kaum absehen lässt.

Passenderweise befindet sich die britische Popmusik gleichsam in einer künstlerischen und finanziellen Krise. Nachdem das UK bis vor wenigen Monaten als die Insel der Glückseligen gelten konnte, sind inzwischen dort auch neue Zeiten angebrochen, die dazu führen werden, dass die gesamte Musikwirtschaft sich neu ordnen wird.

Künstlerisch kommt aus dem UK im Augenblick hauptsächlich rückwärtsgewandter Folk-Pop, den ich als Zeichen der Selbstsuche und Selbstbesinnung interpretiere sowie die letzten Ausläufer des Britpops der 1990er, die freilich nichts weiter als eine künstlerische Bankrotterklärung der dortigen Popmusik darstellen. Es zeigt sich, dass die großen Künstler der 1990er (Ausnahme: Portishead), aber auch die hoffnungsvollen Talente aus der 1. Hälfte der Noughties zum gegenwärtigen Stand des Landes nichts wesentliches mehr zu sagen haben (und damit meine ich nicht explizit politische Musik – „Morning Glory“ war auch nicht politisch und dennoch Aussdruck des damaligen Lebengefühls).

Die allgemeine Sprachlosigkeit ist irgendwie verständlich, aber doch bedauerlich. Woher neue Impulse kommen werden, um die britische Musikszene wieder zu beleben und aus den Sackgassen der Gegenwart herauszuführen, ist meiner Ansicht nach vollkommen unklar.

Nun lesen sich deine kultur- u. sozialkritischen Zeilen gewiss wie en Status Quo zu Großbritannien in einer aktuellen FAZ Ausgabe, bei welcher der Redakteur mal so richtig aufzeigt wo BG momentan steht.
Wenn ich dich recht verstehe (auch in anderen Beiträgen) muss man sich als Künstler ständig neu erfinden um evident zu sein.
Stil als Konstante scheint bei dir ein no-go! Also müsstest du die aktuelle U2 Single hassen, da sie schamlos ihre eigene Frühphase zitieren. Allerdings habe ich deine Maxime diesbezüglich nicht zu kritisieren. Jedoch solltest du andere, die im Vorfeld in defence of Ian Broudie schreiben nicht gleich mit der Riesenkeule (England ist am Ende) drohen. Populärmusik ist u. bleibt für mich ein alltäglicher Begleiter, den ich mal oberflächlich, mal tief u. mal abseitig genießen will. Broudie stand für mich den Neunzigern für Zuckerwattepop (der song „Sugar coated iceberg“ auf der Höhe des Erfolgs 1996 drückt das sehr schön aus) mit Chorknabenstimme; in wohl dosierten Dosen genossen, eine feine Sache. Ich erinnere mich an eine Sendung von Jamie Oliver, in den späten Neunzigern, als er mit einen paar kids einen Tag am Pier von Brighton verbringt, es ist gerade Jahrmarkt, die Kinder freuen sich u. im Hintergrund läuft „Life of Riley“. Das ist positiv u. den Moment genießend. Ich bin Nostalgiker in solchen Sachen.
The Coral trafen mit dem letzten Album genau meinen Nerv. Mag sein, dass diese definitiv anachronistisch verläuft, ich hatte jedoch die Gelegenheit derweil in die Platte komplett reinzuhören u. muss sagen, dass die Rooots (& Echoes) von The Coral ganz famos mit dem Popmacher Broudie funktionieren.
Mehr will ich dazu gar nicht feststellen.

@ John Biel: deine Meinung ist natürlich zu akzeptieren. So schlecht wie du die gesamte Platte darstellst kam sie bei meinem Kurzeindruck in keiner Weise rüber. The Coral sind hier mächtig präsent u. fast klingt es hier u. da nach dem legitimen Nachfolger von „Roots & Echoes“. Mir gefällt so etwas.

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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before."