Re: Lloyd Cole, Kulturkirche/Köln, 20.04.2009

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j-w
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maximum rhythm & blues

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Die vollständige Review von regioactive.de:
Lloyd Cole – Karlsruhe Tollhaus – 22.04.09

Solo und akustisch ist der britische Sänger und Songwriter gegenwärtig auf Tour um nebenbei eine Raritätenbox und zwei neue Livealben anzupreisen, primär jedoch For The Sake Of The Song – um seine Lieder und seine großartige Stimme in die Welt zu tragen.

Gewöhnlicherweise haben Künstler ein neues Werk im Gepäck wenn sie auf Europatournee gehen, im Falle von Lloyd Cole nimmt sich das etwas anders aus: Zuletzt veröffentlichte er 2006 mit „Anti Depressant“ ein Album mit neuem Material, dann kam jedoch Anfang dieses Jahres mit „Cleaning out the ashtrays“ eine Werkschau von Outtakes und Raritäten als 4er CD-Box auf den Markt – woran momentan sein Herz jedoch am meisten zu hängen scheint sind zwei ganz neue Veröffentlichungen, die als Folksinger Vol. 1 und 2 wohl eine Reihe begründen sollen. Ihm ist sichtlich wohl in der Haut des Folksingers, der Smalltalk mit dem Publikum bleibt stets angenehm uneinstudiert – es gibt Referenzen an The Police („Roxanne“), Steve Miller („The Joker“) und am Ende von „Are you ready to be heartbroken“ gar eine (gelungene!) Tom Waits-Imitation!

Nach dem Gig steht er dann höchstselbst am Verkaufsstand um CDs nicht nur feilzubieten, sondern auch zu plaudern und natürlich auch um seine Werke zu signieren. Offen erzählt er da auch, dass er das Gefühl hatte in der ersten Hälfte noch nicht zu 100% präsent gewesen zu sein, mit der zweiten Hälfte des Gigs jedoch sehr zufrieden wäre – eine Analyse, die sich nicht mit dem Erleben des Rezensenten deckt, der zwischen den beiden Teilen des Konzerts kein Qualitätsgefälle ausmachen konnte.

Das Tollhaus in Karlsruhe war mitnichten ausverkauft, ca. 250 Besucher waren es, die gekommen waren um Lloyd Cole zu hören. Ein bedauerlicher Umstand, ist doch die Stimme des 48-jährigen ähnlich wie bei Paul Weller mit den Jahren besser, reifer und ausdrucksvoller geworden, ein Umstand, der natürlich in einem intimen Solo-Akustik-Konzert besonders zum Tragen kommt. Wunderbar, wie der Titelsong seines erfolgreichsten Albums „Rattlesnakes“ von sämtlichen Ballast befreit auf seine Essenz reduziert wird und Text und Melodie eine Unmittelbarkeit erfahren, die in der full-band-version so nie zum Tragen kam. Überhaupt bereitet es ihm offensichtliches Vergnügen seine Songs zu entschlacken: „Cut me down“ befreit er beispielsweise von seiner Bridge, die ihn immer an Bryan Adams erinnert habe („It wasn’t really what I was going for!“). „No more lovesongs“ indes klingt in dieser Version, nur mit der Begleitung seiner offen gestimmten Gitarre so perfekt wie nie zuvor. Mitunter sind leichte Haker im Vortrag wahrzunehmen, offensiv-sympathisch kommentiert Cole: “If you ever hear a concert of my music without a mistake you know that it’s a tributeact!“

Alles in allem ein feiner Konzertabend mit einem Solokünstler, der es geschafft hat alle Fäden in die Hand zu nehmen, aus eigener Kraft ohne Businesspartner seinen Weg geht und dabei eine überzeugende Figur abgibt. Trotzdem: So schön die Atmosphäre dieses intimen Gigs auch ist, es ändert nichts daran, dass man ihn eigentlich doch lieber vor einem viermal so großen Publikum sehen würde, mit Band und vor allem mit mehr Erfolg – sie standen ihm nämlich nicht schlecht, die 80s-UK-Gitarren der Commotions oder die 90s-US-Gitarren auf seinen ersten Solowerken – nebst all den anderen Instrumenten selbstverständlich. Und Soloeinlagen könnten ja auch dann zum Set gehören!

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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue