Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so? › Re: Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so?
Sehr schön, dass sich in diesem Thread wieder etwas tut!
Ich habe ihn damals verpasst, bzw. erst mitbekommen, als schon die – offenbar unvermeidliche :roll: – Rassismus-Debatte entbrannt war. Da ich ihn irgendwie noch nicht ganz befriedigend fand, wollte ich ihn seitdem immer wieder hochholen, konnte aber nicht in Worte fassen, was mir fehlte. Um mal von Hip Hop und ähnlichem, das m. E. wenig mit Rock zu tun hat, wegzukommen:
Beispiele für weiße Rockbands wurden ja genannt und sicher hat sich die „schwarze“ Musik nie ganz dem Rock verschlossen. Immerhin haben u. a. Otis Redding, Wilson Pickett, Ike & Tina Turner (Tina dann sogar verstärkt in ihrer (frühen) Solokarriere) „weiße“ Rocksongs gecovert. Auch sind Einflüsse des Rocks in der schwarzen Musik der späten 60er/frühen 70er wohl nicht zu leugnen und ein paar „Altmeister“ wie Chuck Berry haben nie aufgehört, bzw. spielen ihren Stiefel bis heute runter. Trotzdem ist m. E. ein Bruch unverkennbar (allerdings nicht nur in der „schwarzen Musik“). Welche jungen schwarzen Musiker haben sich in den 60ern/70ern dem Rock verschrieben? Gibt es bedeutende reine Rocksongs, von Farbigen geschrieben, nach ca. 1964? Mir fällt kein Beispiel ein.
Wann gab es eigendlich „schwarzen Rock“, was ist das, wann genau hörte er auf und wann begann er (wenn er aufgehört hat, muss er ja auch mal begonnen haben)? Diese Fragen sind m. E. bisher nicht ausführlich genug behandelt worden. Ich gehöre zu denen, die Rock und Rock’n’Roll deutlich trennen, aber die Ansicht, dass Rock’n’Roll eine Frühform des Rocks ist, kann ich akzeptieren. Und Rock’n’Roll ist ja wahrscheinlich bei der Fragestellung auch gemeint gewesen.
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Zudem hab ich die eigene Sammlung mit einem schönen Sampler zum Thema erweitert. Der ist scheinbar so aktuell, dass die eigene Plattenfirma ihn auf ihrer Website noch als Ankündigungsnotiz, nicht aber als Eintrag führt: „Black Rockers – The Real Pioneers Of Rock´n´Roll“ (sagablues) …
Hier werden einige der wichtigsten Songs zwischen Rhythm And Blues und RnR von 1954-1958 angeführt, mit dabei u.a. LaVern Baker, natürlich Little Richard, Bo Diddley, Esquerita, Louis Jordan (mit einem E-Gitarren-geführtem „Caldonia“, fein!) und viele mehr. Empfehlenswert.
Das war für mich vorhin ein Denkanstoß, mein unbefriedigtes Gefühl in Worte bzw. Fragen fassen zu können! Mich irritiert übrigens „1954“. Stimmt die Angabe? „Caldonia“ ist m. W. doch schon 1945 oder 1946 erschienen? Allerdings ohne E-Gitarre.
Wenn ich mir die Trackliste ansehe, scheinen auch tatsächlich nur die ersten drei Tracks in die Zeit vor 1954 zu datieren, sofern es nicht spätere Neueinspielungen sind (ich kenne allerdings nicht alle sonstigen Tracks).
Der Sampler enthällt viele großartige Track, ich will ihn gar nicht schlechtreden, aber LaVern Baker als „Pionierin“ des Rock’n’Rolls? Bei aller Wertschätzung, aber das war sie nicht. „Jim Dandy“ ist erst von 1956 oder 57 und die frühen, härteren Sachen aus ihrer Zeit vor Atlantic (z. B. „I Want To Rock“) waren eher unbedeutend und unspektakulär. Als „Pioniere“ sehe ich viel eher einen Wynonie Harris, einen Big Joe Turner oder eine Mabel Scott, sicher auch Louis Jordan, evtl. Julia Lee, sowie zahlreiche weitere, heute fast unbekannte Künstler der 40er/frühen 50er (auf „weißer“ Seite ist wohl vor allem Bill Haley bis 1953/54 zu nennen). Wobei wir aber schon bei der Frage sind, wann „schwarzer Rock“ begonnen hat und was ihn definiert, der ich eigendlich nicht vorgreifen will.
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Und wie Musiker einer schwarzen Rockband von ihrem Label erzählt bekommen, wenn sie nicht R&B, Hip Hop oder wenigstens Reggae machen, seien sie kaum zu vermarkten.
Ich nehme stark an, kommerzielle Gründe haben auch schon in den 50ern und frühen 60ern eine Rolle gespielt und könnten die Bewegung weg von Rock(’n’Roll) erklären. Wobei es in jener Zeit m. E. keine eindeutige Linie weg vom Rock(’n’Roll) sondern teilweise eher ein Auf- und Ab gab.
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