Re: Alexandra

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stormy-monday
Natural Sinner

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Die Diskussion hier finde ich, bei aller Distanz zu derlei Liedgut, ziemlich spannend.
Schon 2 Jahre nach Kriegsende erzählte ein deutscher Schlager von den „Caprifischern“ und damit war ein Anfang gemacht für Fernweh in alle Himmelsrichtungen, bevorzugt zunächst nach Italien, die USA oder in die exotische Fremde (Mindanao, Havanna, Surabaya, Maratonga….) Schnieke waren die Beine einer gewissen Dolores, geheimnisvoll ein altes Haus von Rocky Docky. Man verzieh exotischen Zungenschlag, ja liebte die kleine Rita Pavone oder Valente oder Torriani deswegen, und Amerikaner sollten ihre Songs „mit Kaugummi“ singen; Peggy March, Graham Bonney, Connie Francis, Wanda Jackson, Johnny Cash und viele andere verkauften fleissig Platten mit „Besatzerslang“.
Mitte der 60-er kamen zunehmend Folk-beeinflusste Motive dazu samt deutschen Einspielungen von Bob Dylan-Songs oder dem putzigen Drachen Puff, einiges davon verdient sicher das Attribut „bizarr“. Und neue Länder wurden entdeckt samt Sirtaki-Gesäusel und kaukasischem Männergebrumm. Kein „Boom“ wirklich, aber eine Öffnung hin zu einer globaleren Folklore, die das unheimliche Russland nicht mehr ausschloss. Alexandra passte da bestens in den Markt, das dunkle Timbre der Stimme und die Melancholie ihrer, ja, Chansons, egal ob von Beierlein in Auftrag gegeben oder eher aus Frankreich adaptiert, unterschieden sich vom grossen Schlagerrest .Das war die deutsche Paralellwelt zu Stones und Kinks und Hendrix und Doors, aber für das angesprochene Publikum funktionierte es. Im Falle von Alexandra waren das nicht einmal die typischen tumben Schlagerfans, nach meiner Erinnerung mischten sich eher Folkies und „anspruchsvollere“ Liedermacherfans darunter, die auch Degenhardt und Wader hörten.
1967, im Jahr des „Zigeunerjungen“, waren die Beatles und Jagger schon in Indien, und die Töne wurden noch exotischer………..

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