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nail75Ich finde die Diskussion auf den letzten Seiten, insbesondere die Beiträge von otis, EL und Herrn Rossi, sehr interessant. Dass Alexandra ein fast mythisches Russlandbild bedient hat, glaube ich auch – sozusagen der letzte singende Überrest der deutschen Kultur in Osteuropa. Dazu noch die melancholische Sehnsucht nach Heimat, Harmonie und insgesamt weniger Aufregung (als gerade 1968/69) und der wirkliche und immer noch nachwirkende Verlust der Heimat durch Bomben, Vertreibung, Flucht und anderes – das sind alles gute Argumente, um das Phänomen Alexandra jenseits ihrer Persönlichkeit zu erklären.
Ich neige dazu, das Ganze nicht allzu sehr überzubewerten. Wie Herr Rossi schon sehr richtig anführte, konnte man seinerzeit einen allgemeinen „Rußland-Boom“ ausmachen, „Dr. Schiwago“ sei „Dank“. Da reizte natürlich teilweise schon die Exotik eines Riesenreiches, bzw. seiner „versunkenen“ Historie, das für die meisten Durchschnittsbürger damals doch so unerreichbar war wie der Mond (und selbst dorthin hatte es der Ami geschafft…). Den Beitrag von EL in allen Ehren, aber diesen Background teilte doch nur ein Teil der Bevölkerung Deutschlands – also dürfte strenggenommen auch nur ein Teil der „On Beat-Michels“ am Marsch ins Delirierende teilgenommen haben (was wohl auch eher den Tatsachen entsprach…), die anderen Teile (vor allem die nachgewachsene Generation) liehen ihre Ohren doch damals schon seit längerer Zeit den anglo-amerikanischen Klängen – und hefteten ihre kulturgierigen Argusaugen in diese Richtung.
Nein, nachdem die Nachkriegs-Renaissance der Rheinromantik, die Verzückung über das Alpenglühen und „Bella Italia“ durch war (man konnte sich ja wieder einen Urlaub leisten – und Mallorca war ja auch nichts Exotisches mehr), so verlockte eben das „alte“ Mütterchen Russland – Überreste der deutschen Kultur hinter dem eisernen Vorhang hin oder her.
Was solls, letztendlich sind es wirklich manchmal nur zeitgeistige Trends, die sich auch in der Musik niederschlagen – etwas später war eben Japan/Fernost dran (wer erinnert sich noch an gleichnamige Band, an „Kimono my house“ von den Sparks, Coverartwork von Kate Bush, „Kyoto Song“ von The Cure, etc.?). Und irgendwann zwischendrin entdeckte man dann wohl auch letzte Bastionen des Westens, direkt an der Grenze zum kalten Krieg, ja gar mittendrin im „Feindesland“ die Frontstadt Berlin. Auch ein Boom, ein musikalischer Tourismus – prickelnde Exotik, die Spannung, das Prickeln der Gefahr! Muß ich jetzt extra auf Bowie, Lou Reed, Spandau Ballet, Camel’s „Stationary Traveller“ (sic! sic! sic!), Killing Joke’s bedrohliche Hommage „S.O. 36“, etc., usw. hinweisen?
Nimmt sich für mein Dafürhalten nicht besonders viel anders aus als der Endsechziger „Rußland-Boom“ – mit dem einzigen gravierenden Unterschied, daß hier nicht Heimeligkeitsbedürfnisse, sondern zu einem Gutteil Abenteuerlust befriedigt wurde…
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad