Re: Belles Faves

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belle

Registriert seit: 01.02.2006

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Justice – †

Im Moment hagelt es ja geradezu achtzehnte Geburtstage in meinem Freundeskreis und auf jeder Party, wenn nicht mal mehr der Alkohol den Pur-Partymix oder Olaf Hennings Joanna (gar nicht mal so schlecht, wenn man getankt hat) erträglich macht, hat irgendeiner meiner Kumpels die heilige Aufgabe diese kleine, schwarze CD zum DJ zu tragen und zu sagen: „Tu mal rein, kommt richtig geil.“ Und dann geht’s ab.
Der Erstling von Justice kam genau zur richtigen Zeit, als ich mehr und mehr elektronische Musik zuließ und auch Freude am Tanzen und Clubs fand. Durch das, übrigens sehr schöne und lustige, Video zu ihrer zweiten Singleauskopplung D.A.N.C.E. wurde ich auf Justice aufmerksam und auch wenn mich die harten Bretter zuerst abschreckten, fand ich auch schnell an diesen Stücken Geschmack. D.A.N.C.E. ist zwar mit dem schon etwas älteren, aber auch sehr schönen Lied „We are your Friends“ Justices bekanntestes und eingängigstes Stück, aber ihren eigentlich Sound repräsentiert es nicht. Die Markenzeichen und eigentliche Stärke des französischen Duos sind nämlich wabernde, zerrende, surrende Ungetüme von gigantischer Wucht und absoluter Tanzbarkeit.
Ich denke jeder der sich ausgiebig mit Musik beschäftigt hat eine Platte, die zum perfekten Zeitpunkt erscheint und einen einfach wegbläst. „†“ beeindruckte mich sofort in seiner Konsequenz und lässt mich immer noch nicht los. Es ist mir ein Rätsel, wie eine Platte mit jedem mal Hören fresher, geiler, fetter klingt. Das fängt mit dem epischen Opener „Genesis“ an, führt weiter über den Monstertrack „Phantom Pt. II“, den meine Freunde und ich gerne das Biest nennen, und endet mit der ersten, wahnsinnig coolen Single „Waters Of Nazareth“. Früher hätte ich es nie für möglich gehalten, dass ich ein Elektroalbum jemals als so rund und eindringlich emfinden würde. Doch wie gesagt, auch wenn alte Techno- und Elektrohasen der Meinung sind, dass Justice vielleicht doch nicht die Offenbarung seien, die der Hype verspricht, fand mich „†“ in einer Phase meines Lebens, wo ich mich doch sehr nach ein wenig mehr Coolness und Glamour sehnte, und immer wenn ich diese Platte einlege fang ich an von wilden Nächten, harten Trips und schwitzenden, getriebenen Körpern zu träumen.
Dieses Bild des totalen, abgefuckten Styles, der auch mich lange gefesselt hat, wird auch auf der Tour-DVD „A Cross The Universe“ von Justice wiedergegeben, doch kamen da Gaspard Augé und Xavier de Rosnay als fürchterliche Poser rüber und gingen mir eher tierisch auf den Sack. Auch geht mir mittlerweile dieses pseudochristliche Gehabe und die aus dem Metal entliehenen Posen auf die Nerven, die mich anfangs schon ein bisschen beeindruckten. Da sind mir Daft Punk in ihrer Geheimnistuerei doch deutlich lieber, denn die Legenden des French House scheinen erkannt zu haben, dass es oft am besten ist die Musik in ihrem Genre für sich selber sprechen zu lassen und sie nicht mit Ego und vermeintlicher Coolness zu überschatten. In meinen Augen steht elektronischer Mucke ein gewisses Mysterium sehr gut.
Doch trotz all der Kritik am Imagewahn der Franzosen. Hier steht für mich deutlich die Musik im Vordergrund und das unglaubliche Gefühl, wenn im Club ein Justice Lied gespielt wird und ich mich dann vollkommen entrückt durch wabernde Nebelschwaden zu den unglaublichen Beats bewegen kann. Der faszinierende Druck der Songs, die einen zurück in den Sessel presst, wenn man Justice im Wohnzimmer hört, oder alle Körperteile, die nicht allzu fest am Körper sitzen, wenn Phantom Pt. II im Club gespielt wird, ist tatsächlich am ehesten mit der monumentalen Urgewalt einer Hardrockbombe von den Queens of the Stoneage zu vergleichen. Aus diesen Gründen würde ich nur allzu gern ein Justice Konzert live miterleben. Die Beats und Bässe von Justice hautnah miterleben und mit einer Masse von Gleichgesinnten das zu tun, was ich mittlerweile am besten kann. Tanzen bis zum umfallen.
Dieses Album war sozusagen der Schlag ins Gesicht den ich unbedingt brauchte, um meinen Arsch vom Sofa zu erheben und endlich anfangen zu tanzen, tanzen, tanzen. Es symbolisiert für mich Jugend und Freiheit und den absoluten Willen glücklich zu sein. Und so wird auch bei der nächsten Party einer von uns zu später Stunde entschlossen ans DJ-Pult schreiten und verlangen, was wir alle verdienen. Gerechtigkeit.

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Und ich liege im Bett und ich muss gestehen ich habe große Lust mich noch mal umzudrehn