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Dan Fogelberg „The Innocent Age“(1981)
Es gibt Alben, die entfalten ihre Wirkung grade auch deswegen, weil sie genau zur rechten Zeit kommen. Die Zeit war 1998, das Album „The Innocent Age“ von Dan Fogelberg. Ich befand mich damals in dieser merkwürdigen Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein, in der es vor Abschieden und Neuanfängen nur so wimmelt.
„The Innocent Age“, ein Doppelalbum, kann man durchaus als eine Art Konzeptwerk bezeichnen. Wenngleich nicht in allen 17 Songs (oder 16, ein Stück ist ein kleines Instrumental) konsequent durchgehalten, so ist das Thema Vergangenheit und der Umgang mit selbiger doch bestimmend. Ein Zitat von Thomas Wolfe ziert den Anfang des Begleithefts: „Man’s youth is a wonderful thing: It is so full of anguish and of magic and he never comes to know it as it is, until it has gone from him forever.“
Große Alben zeichnet es aus, dass sie gleich zu Beginn des ersten Stückes in ihren Bann zu ziehen verstehen. Das ist hier nicht anders. “Nexus“ gehört zu den stärksten Stücken, die Fogelberg geschrieben hat. Ein Strudel von Gitarren reißt einen mit und nimmt gefangen, gesanglich unterstützt von Joni Mitchell, die an den Zeilen sicher ihre Freude hatte:
“Across the vein of night there cuts a path of searing light, burning like a beacon on the edges of our sight. At the point of total darkness and the lights divine divide. A soul can let its shadow stretch and land on either side – either side.“
Kindheit und Jugend bestimmen das nun folgende Titelstück und “The Sand and the Foam“. Manchen mag das arg sentimental und süßlich sein, meines Erachtens beherrscht Dan Fogelberg – nicht nur hier – jedoch die Gradwanderung, zu berühren ohne in den Kitsch abzurutschen. Kraftvoller wird es dann bei “In the Passage“ und “Lost in the Sun“, der Zauber der Kindheit ist hier gewichen, die Realitäten und Desillusionen des Erwachsenenseins dominieren:
“The faster we run, the further away the dreams that we chase become. And lost in the sun spinning and turning, blind in the burning light of day – we have to turn away.“
Beschwichtigender wird es dann wieder in “Run for the Roses“ – Fogelbergs Spezialdisziplin, die wehmütige Ballade. Es folgen die beiden vielleicht bekanntesten Stücke des Albums: “Leader of the Band“, das Fogelberg seinem Vater widmete, und “Same old lang syne“ über die Begegnung mit einer längst verflossenen Liebe.
Just for a moment I was back at school and felt that old familiar pain. And I turned to make my way back home – the snow turned into rain.“
Aus den Erinnerungen an die Vergangenheit, die bekanntlich in der Rückschau gerne glorifiziert wird, ist Fogelberg wieder in der Realität angekommen und der Hörer am Ende der ersten Platte.
Die zweite Hälfte des Albums wird vom kraftvollen “Stolen Moments“ eröffnet, fortgesetzt vom schneidenden “The Lion’s Share“. Bevor der Hörer aber den Eindruck bekommen könnte, das Album wendet sich völlig dem Zorn verpasster Chancen zu, folgen auch schon die ersten Takte von “Only the Heart may know“, einem Duett mit Emmylou Harris, deren Stimme im Kontext zu Fogelbergs Gesang gleich doppelt so schön strahlt wie sonst.
Aufbruchstimmung dann bei “The Reach“, bei dem man den Herbstwind förmlich schmecken kann. Das kleine Instrumental “Aireshire Lament“ lässt einen weiter im Harmoniehimmel schwelgen. Kontrast dazu sind die nächsten beiden Stücke, “Times like These“ und “Hard to say“. Beides nicht unbedingt die Sternstunden des Albums, weder textlich noch von der Melodie – aber eine Verschnaufpause ist auch nicht verkehrt schließlich steuert Fogelberg nun auf den Höhepunkt des Albums zu.
“Empty Cages“ knüpft musikalisch an die beiden vorangegangenen Stücke an, inhaltlich orientiert es sich jedoch wieder an der Grundthematik des Albums: Der Ausbruch, die Flucht, der Freiheitsdrang – alles Assoziationsmöglichkeiten zum Thema Jugend. Die Freiheit wird auch im abschließenden “Ghosts“ beschworen.
“Every ghost that calls upon us brings another measure in the mystery. Death is there to keep us honest and constantly remind us we are free.“
Die Vergangenheit lebt weiter, in all ihren Facetten von Freude, Zorn, Neugier und Enttäuschung. Dan Fogelberg hat mit „The Innocent Age“ sein persönliches Meisterwerk abgeliefert. Bis zu seinem viel zu frühen Tod 2007 sollte er noch viele Songs schreiben, an die Vielschichtigkeit und Intensität seines 1981er-Werks kamen sie aber nicht mehr heran.
Herausragender Song: „Leader of the Band“
Gesamtwertung: *****
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If I'd lived my life by what others were thinkin', the heart inside me would've died.[/FONT] [/SIZE][/FONT][/COLOR]