Re: U2 – No Line On The Horizon

#6930437  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

j.w.Aber was ist die Lösung? Nur „geheim“ zu agieren und andere dann als Strohmänner in die Öffentlichkeit zu stellen? Das Perverse ist doch, dass man von Rocksängern erwartet, dass sie sich in der Öffentlichkeit darstellen, ordentlich auf den Putz hauen, aber dann bitteschön lieber nur die eigene Dekadenz oder Sucht pflegen, daran kann man sich dann unverdächtig weiden, aber wenn sie versuchen ihre Popularität in den Dienst einer von der eigenen Kunst unabhängigen Sache zu stellen, unterstellt man ihnen Geltungssucht, Selbstbeweihräucherung und Scheinheiligkeit?

Interessante Beobachtung. In der Tat ist im Pop Selbstbeweihräucherung nun wirklich überhaupt kein Problem, im Gegenteil, Selbstinszenierung, Selbststilisierung, Selbstzelebrierung sind zentrale Bestandteile der Popkultur. Jedes Bandfoto erzählt davon. Wir finden das cool, genauso wie Egozentrik, Dekadenz, Maßlosigkeit.
Und vielleicht liegt da das Problem mit U2: Weil wir gewohnt sind, Pop in den Kategorien von Inszenierung und Stilisierung zu sehen, kommt vielen eine Band, die so plakativ ihr Eintreten für ANDERE zelebriert, suspekt vor.

Aber gerade fällt mir ein: Mir sind die ja auch suspekt.

Aber warum?

Vielleicht deshalb: Ich ziehe es vor, zu glauben, dass Pop zwar die Welt verändern und verbessern kann, aber dass er das tut, indem er einfach Pop ist. Die Welt wird besser und anders, weil es Pop gibt. Die Welt wird dagegen nicht besser, weil es Bono gibt. Letztlich steckt eine große Anmaßung darin zu glauben, dass die Welt einen Popstar braucht, damit die Politik in die richtige Richtung läuft. Und auch ein großer Irrtum, ein falsches Verständnis davon, wie sich im politischen Raum Dinge verändern lassen. Bono glaubt, er könne seine enorme mediale Strahlkraft für einen guten Zweck einsetzen. Aber damit wird das politische Anliegen letztlich zu einem Medienphänomen degradiert. Und was soll davon besser werden? Wurde in Afrika der Hunger besiegt durch Live Aid?

Na gut, vielleicht alles etwas wirr. Aber eins fällt mir noch ein: Missionarischer Eifer ist im Pop glaube ich niemals gut. Bob Dylan hat da das Wesentliche gesagt und auch vorgelebt. Don’t follow leaders, watch the parking meters. Er hat sich immer dann entzogen, wenn er zum spokesman von wem auch immer zu werden drohte. Ich glaube, er hat das getan, weil er wusste, dass solch eine Einengung die Kunst lähmt.

Ach ja, die neue Platte: etwas aufgeblasen, wie das meiste von U2.

--