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nikodemus
Die Kirchenorgel in „Who Will“ z.B. ist sicherlich nicht jedermanns Sache, durch den pulsierenden Beat und die military drums wirkt das auf mich aber nicht ehrenrührig sondern eher erhaben.
Ähnlich bei „The Sun Is Often Out“, sicherlich ein over the top-Arrangement, aber der sensible Umgang mit dem Selbstmord seines Freundes wirkt auf mich nicht kitschig. Die dramatische Orchestrierung macht zwar betroffen, aber gerade das Ende, wenn der Chor und die fröhlichen >the sun, the sun< Stimmen einsetzt, wirkt das auf mich eher so, als ob er das Leben seines Freundes noch einmal abfeiert. Den begrifflichen Gegensatz von schmalzig und feierlich kann ich noch nicht ganz nachvollziehen, ich verstehe dennoch, was du mit den Beispielen sagen willst (insofern vergiss die Begriffe): Im ersten wird die große Geste abgefangen durch kühlere Elemente, eben wieder die Elektronik, durch Abwechslungsreichtum und durch den sehr speziellen Einsatz der Stimme. Ich finde Wolfs Gesang schon sehr extrem: Er schleift sehr stark in die Töne, drückt, vibriert croont und stöhnt, bedient also einiges an (sexuellen?) Klischees. Manchmal hat er so ein "Frankie-Goes-To-Hollywood-Relax"-mäßiges "Huah" drauf (z.B. bei "Tristan"), dass ich denke, das kann er einfach nicht völlig ernsthaft so singen. Ja, ich glaube, das ist zentral: Vieles in seiner Musik ist sehr artifiziell und soll (hoffentlich) so sein. Insofern bedient Wolf die Vorstellung des Nicht-Authentischen im Pop, die im Thread zum Thema angesprochen wurde, perfekt. Songs, in denen es um tote Freunde geht, sind sicher ein Sonderthema: Ich finde, da ist auch eine große Portion Pathos absolut legitim. Frisöre kommen in diesem Forum schlecht weg; doch was wären wir ohne sie? Eine Bande Ganzkörperpullover, bewahre! Die Kritik trifft natürlich den Punkt "Kitsch": Anders als z.B. im Urteil "Putzfrauenmusik" wird den Frisören schon etwas Anspruch unterstellt, aber eben einer, der von den Eigenschaften, die Frisöre halt allesamt so haben, geprägt ist: schwul-schwülstig und kitschlüstern, wimpernklimpernd und hysterisch. Ich glaube auch, dass gewissen Friseuren Patrick Wolfs Musik gefallen kann, aber je nachdem, ob man ihm den Kitsch nun ungefiltert abkauft oder nicht, womöglich aus den falschen Gründen?
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the pulse of the snow was the pulse of diamonds and you wear it in your hair like a constellation