Re: Patrick Wolf – The Bachelor

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nikodemus

Registriert seit: 07.03.2004

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»You’ll put me in the magic position« sang noch kürzlich der rothaarige Pretender auf dem Karussell sitzend und fand doch auf dem bunten POP-Volksfest des gleichnamigen Albums niemanden, der seine Lüste und Liebe stillte.

Und so zog sich unser einsamer Wolfsjunge seine beste Kampfuniform an und verlief sich in seiner Spielkonsolenwelt mitten in einen Märchenwald, immer auf der Suche nach dem Einen. Verschleiert als Atari-Indiana Jones trifft er in diesem Kriegspiel der Liebe zuerst auf merkwürdige Geräusche bevor er hinter der ersten großen POP-Tür die Feststellung formuliert: »Ignorance is still adored and through all these hard times we’ll work harder for some resolution«. Im trotzigen Oblivion erscheint dem wieder Erblondeten in Gestalt von Tilda Swinton eine Voice Of Hope an und kündigt an: »I hear you but I am not afraid of you« während im Hintergrund die hartnäckigen Streichern bedrohlich schwirren.

Ausgerechnet im Titeltrack sucht sich Patrick eine Spielgesellin, die ob ihrer tiefen Stimme kaum von unserem Krieger zu unterscheiden ist. Mit seinen aus „Wind in the wires“ und „Lycantrophy“ bekannten alten Waffen, dem Klavier und umherschwirrenden Geigen, macht er sich im Angesichts des baldigen Todes auf die Jagd nach dem Einen, der sich um sein Hab und Gut kümmert (wer soll nur seine Schweine füttern, sobald er verstorben ist?) nur um doch festzustellen, dass dort niemand ist. Dann das große Drama – Damaris: Im Zusammenspiel mit einem großen Tindersticks-Orchester und kampferprobten Marching Drums, die auch auf späteren Tracks noch den Kampf unseres Helden unterstreichen, ist unser Krieger kurz vor der Aufgabe, »goddam these tears, jammert er hinter einer großen Melodie, »no body knows how i wait for you«. In Count Of Casualty« vermischen sich in unserem Atari Sound tausende tote Stimmen und erstmals auch Industrial Töne. Nach dieser auf dem ersten Schreck doch zugänglichen Todeszählung setzt sich unser Krieger an eine Kirchenorgel und spielt Oh Wunder, die schönste POP Melodie, die man auf diesem Instrument spielen kann.

Dann der Schock, gemeinsam mit Alec Empire folgt die Porno-Industrial-Pop-Single Vulture, ein harter Beat und Bass, flirrende Synthies und dem lyrischen Bekenntnis, dass sein totes Fleisch sich zurück nach dem Geier sehnt. Der Wolf hat sich verlaufen und kehrt zurück in sein altes Terrain. An einem großen Klavier spielt er eine Ballade an die Begierde und schluchzt: »Desire desire desire, you’re not the maker of me«. Am Boden liegend erinnert er sich an seinen Freund Stephen, der sich selbst das Leben nahm. Die Tränen fließen während unsere verletzte Seele sich an die Worte des Gegangenen erinnert: »he sun is often out«. Hinter einem großen Cale’schen Streicherarrangement, den Kloß noch im Hals sitzend, weint sich der Verlassene die Trauer heraus.

Da taucht unsere Voice of Hope wieder auf und flüster: »the gates are opening, the future, the future is yours«während der Unglückliche entdeckt, dass der warme Faden der Liebe ihn zu Freiheit führt. Der Wolf sieht Licht am Ende des Tunnels doch zuvor gilt es seinen Endgegner zu besiegen. Im verstörenden, buchstäblichen Battle tauchen laute Gitarren auf, alles kippt und schwankt und unser Krieger ist fest entschlossen: »Now it’s time for some victory – fight!« Der Sieg, der Sieg! »I won’t fear what tomorrow may take, stay blind to my future and fate« stellt der erleichterte Atari-Boy im abschließenden The Messenger fest, es geht immer weiter und auch wenn alles schief läuft, gibt es immer noch einen hellen Weg, der uns aus dem dunklen Wald hinaus führt. Und so endet dieses elektroochestrale Chamberpop-Märchen wie es enden muss, die Frage aller Fragen die sich durch das ganze Album zieht und die Patrick Wolf selbst so schön anzüglich im ersten Satz von Who Will? stellt, sie hat sich erfüllt. Es sei ihm gegönnt.

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and now we rise and we are everywhere