Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Musik aus unterschiedlichen Kulturkreisen – was hört man / worauf verzichtet man › Re: Musik aus unterschiedlichen Kulturkreisen – was hört man / worauf verzichtet man
Glückwunsch zu deinem „generellen Interesse“, Mueti. Japan ist schon ein faszinierendes Thema und ein Universum für sich. Was die Musik angeht, muss man sich aber immer fragen: Aus welcher Epoche stammt sie, welchen Einflüssen unterliegt sie usw. Und Japan hat ja nun in den letzten 200 Jahren extremste kulturelle Brüche hinter sich (Meiji-Restauration, Imperialismus, 2. Weltkrieg, den Prozess der „Westernization“ usw.). Wo ich, wie gesagt, überhaupt nicht reinkomme, sind die traditionellen Klänge (habe Etliches gehört an vom Shinto und vom Zen inspirierter Musik). Eine japanische Email-Korrespondentin versuchte mir das vor Jahren mal philosophisch zu entschlüsseln, hat mir sogar eine CD gebrannt mit vielen Beispielen – hat nicht viel gebracht. Hätte es vielleicht aber, wenn ich mich noch tiefer mit der Materie auseinandergesetzt hätte, vielleicht sogar hingeflogen wäre (mache ich hoffentlich irgendwann mal auch).
Wichtig ist, dass bei tiefgreifender Auseinandersetzung dann auch alle Exotik wegfällt. Also solange uns etwa japanische Schriftzeichen noch als „exotisch“ erscheinen, bleiben wir außen vor. Erst wenn sie uns sozusagen „normal“ erscheinen, sind wir „drin“. Ich denke, du bist bei deiner Auseinandersetzung da schon auf dem richtigen Weg – „Gaijin“ bleibst du aber immer
Anderes Beispiel: China. Ich denke, einige werden hier den Film „Farewell My Concubine“ kennen, es geht da um das Thema Peking-Oper – das ist wie von einem anderen Stern. Schon faszinierend, diese äußerst fremd anmutenden musikalischen Welten, an denen jeglicher Eurozentrismus zerbricht (also mit unseren musikalischen Maßstäben kommen wir da nicht weit, haben sie vielmehr abzulegen, um uns für diese Welt öffnen und wenigstens ein paar Grundzüge davon verstehen zu können).
Schnell noch eine Ergänzung zu meinem Beitrag #24; ich operiere hier mit verfänglichen Begriffen wie “ a priori“ – zwar in Anführungszeichen, aber am liebsten würde ich das jetzt löschen, weil es, wenn man es wörtllich nimmt, hinten und vorne nicht stimmt und zu einer verkorksten Ästhetik führen kann. Was ich meinte, ist eigentlich eine Art Prädisposition, die wir alle mitbringen. So wie ich offenbar dazu prädisponiert war, British Folk zu mögen (ganz im Unterschied zu Doughsam), denn als Doebeling in den 80ern diese ganzen Sachen von den Watersons, Carthy usw. spielte – Dinge, von denen ich überhaupt noch nie vorher gehört hatte – gefielen sie mir auf Anhieb, ad hoc, unmittelbar, und ich hörte sie in den folgenden Wochen dann wieder und wieder (im Unterschied zu vielen anderen Sachen, die sich erst später erschlossen haben). Das kann jedoch noch nicht eigentlich als „Verstehen“ bezeichnet werden, sondern ist nur ein erster Anklang davon – tatsächliches Verstehen setzt erst im Nachhinein ein, wenn man….. Nun ja, das kann ja jetzt weiter diskutiert werden.
Noch eine weitere Ergänzung: Im Roots-Thread ist gefragt worden, ob es deutsche Autoren „auf Ich-Suche im UK“ gibt. Gibt es tatsächlich: W. G. Sebald, Die Ringe des Saturn. Eine englische Wallfahrt (1995). Durchaus lesenswert, aber bringt uns in Sachen Interesse an / Verstehen von British Folk nicht eigentlich weiter
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