Re: Musik aus unterschiedlichen Kulturkreisen – was hört man / worauf verzichtet man

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santander

Registriert seit: 22.09.2005

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Scheinen ja alle weitgehend darin übereinzustimmen, dass einem Musik anderer Kulturkreise ohne jegliche Vorkenntnis (sozusagen a priori) gefallen kann, dass andererseits aber ein tieferes Verständnis dieser Musik nur möglich ist, wenn man sich eingehender mit der jeweiligen Kultur befasst (a posteriori). Fragt sich dann u. a., wo die Grenze zwischen dieser apriorischen Anerkennung und der Ablehnung bzw. Sympathie und Nichtsympathie liegt; sie dürfte jeweils individuell sehr verschieden sein.
Interessant ist der Beitrag von Anne Pohl, die mongolische Obertonmusik erwähnt, also Musik, die wirklich von ganz weit her kommt. Eine solche „Band“ stand hier in Freiburg öfter auf der Straße. Mich nervt Straßenmusik zwar häufig, aber hier bin ich immer wieder stehengeblieben, weil mich diese Musik so faszinierte.
Ähnliches gilt für eine „Folkband“ wie die Bulgarian Voices, die mich immer schon faszinierten, und zwar auf Anhieb, ohne jegliche Kenntnis des kulturellen Backgrounds. John Peel muss es so ähnlich ergangen sein, denn er spielte sie in den achtziger Jahren in seiner Sendung. Ich selber habe sie (zumindest einige von ihnen) 2003 live gesehen, kurioserweise im Libanon während des Sommerfestivals in Beit-ed-Dine; hier mal eine Kostprobe (die Klangverminderung bei Youtube spielt hierfür keine Rolle):

http://de.youtube.com/watch?v=dWLMZnhUvUo

Arabischen, persischen oder türkischen Klängen war ich a priori auch nie abgeneigt. Als Freunde in Beirut feststellten, dass mir arabische Musik tatsächlich gefällt (wir besuchten dort einige Konzerte, auch gab es eine Hochzeit, auf der viel Musik gespielt und wo getanzt wurde), bin ich eingedeckt worden mit guter Musik, die ich immer noch auf einigen MCs habe und die hier auch in meinem Umfeld auf Sympathie gestoßen ist. Zugleich wurde mir die jeweilige Musik ausführlich erläutert, da man wusste, dass ich nicht alles sogleich verstehen würde, unmittelbare Sympathie hin oder her. Da haben wir sie, die A-posteriori-Erkenntnis, die in diesem Fall auch wirklich nötig ist – man kommt bei arabischer Musik ja u. a. in ein gänzlich anderes Tonsystem hinein. Ich will auch hier mal ein eindrucksvolles Beispiel bringen, und zwar von Fairouz, der wohl bedeutendsten arabischen Sängerin überhaupt (einer Libanesin, die meines Wissens noch in Beirut lebt). Fairouz ist musikalisch von größter Bedeutung für die gesamte arabische Welt. Sie hat unglaublich viel Musik gemacht, ich wähle hier mal ein religiöses Stück, das Passionslied (Fairouz ist Christin).
Wer religiöse Inhalte nicht mag (ich meine die konsequenten Atheisten dieses Forums), blende diese beim Hören bitte aus, das geht ganz einfach (vor allem sollte man sich in diesem Fall das Video dort wegdenken). Musik ist sicher immer ein Ideenträger und kann von dort her auch zum Ideologieträger werden; Fairouz verbreitet jedoch keine Ideologien in diesem platten Sinne, weshalb man sich hier auch rein auf ihren Gesang und die Musik konzentrieren kann:

http://de.youtube.com/watch?v=9QCZc2A1p7Y

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Zum Schluss zur Auflockerung – obwohl es ein harter Bruch zu Fairouz ist – noch ein Stück libanesischen Pop, von Elissa, die eine wunderschöne Stimme hat und von den Kids dort (und überhaupt in der arabischen Welt) gern gehört wird. Ist sehr eingängig und gefällig. Spielt es laut, Leute; hoffe, es gefällt auch „a priori“:

http://www.youtube.com/watch?v=uSaUbY6n0Ew

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