Re: Musik aus unterschiedlichen Kulturkreisen – was hört man / worauf verzichtet man

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staggerlee

Registriert seit: 04.02.2007

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Wie alle anderen hier bin ich auch der Meinung, daß man zur Musik anderer Kulturen (außerhalb der Eigenen oder des angloamerikanischen Bereichs) einen emotionalen Zugang finden kann. Schwieriger ist es aber sie richtig einzuordnen/zu beurteilen- es bedarf denke ich eines größeren Aufwands.

1.) Der Einfluß der USA in kultureller Hinsicht (Weltmacht, finanzielle, militärische…. Dominanz) auf Deutschland ist und war vor allem in der jüngeren Geschichte ungleich größer als bspw. den von Nigeria. Ähnliches gilt auch für Britain, daß geographisch und kulturell einfach näher liegt. Gar nicht überschätzen kann man den Einfluß der USA in der Nachkriegszeit/in den 50ern (teilweise auch davor- ich denke z.B. an die Swingjugend), wenngleich die Vorstellung über die USA sicherlich häufig naiv war (mir ist natürlich auch klar, daß Rock`n Roll im Speziellen in den 50ern eine verschwindend kleine Anzahl von Anhängern in Deutschland hatte, aber das nur nebenbei). Ob dies in Zukunft so bleibt kann angesichts der Globalisierung allerdings bezweifelt werden.

2.) Natürlich gibt es Sprachbarrieren. Auch wenn mein Englisch alles andere als perfekt ist, so verstehe ich die Texte zumindest teilweise.

3.) Sicherlich bedarf es keinerlei Kenntnisse um Musik aus allen möglichen Ecken dieser Erde zu hören und einen emotionalen Zugang zu finden. Wenn es für mich dennoch ein Randthema ist, so hat dies vor allem pragmatische Gründe. Britische/amerikansiche Popmusik und Jazz sind ein dermaßen weites Feld, daß es mir schwer fällt weitere Fässer aufzumachen.

4.) Etwas anders betrachte ich den spirituellen Aspekt von Worldmusic als otis (der Ausdruck Worldmusic stört mich auch, da sehr undifferenziert, aber ich habe derzeit keinen besseren). Um ehrlich zu sein ärgert mich immer ein wenig die Einordnung von Doebeling des Spätwerks von Coltrane. Um wieviel mehr Tiefe und musikalisches Können hat Coltranes A Love Supreme als bspw. Carlos Santana. Nichts ist daran scheinheilig und kann man Nirvana für Fred Durst verantwortlich machen? Ich selbst bin Agnostiker habe aber keinerlei Probleme z.B. Bach anzuhören (auch wenn ich von Klassik keinen Schimmer habe), dessen Musik tief empfundene Religiosität wiederspiegelt. Im Grunde genommen beneide ich Coltrane und Bach. (P.S: Vielleicht ist A Love Supreme nicht das beste Beispiel aber Coltrane hat für mich eine Menge Ansätze zur Worldmusic)

5.) Die Pekingente und Bob Marley: Ich esse sehr gerne Pekingente in hiesigen Restaurants. Ohne Marley wäre Reggae vermutlich ein Inselthema geblieben. Reggae per se ist natürlich aus den verschiedensten kulturellen/nationalen Einflüssen entstanden. Marley hat zusätliche Rockelemente dieser Musik hinzugefügt und damit seinen Siegeszug um die Welt gestartet. Sagt dies etwas über die Qualität seiner Musik aus? Ich glaube eher nein. Dahinter steckt die Frage: Wie authentisch muß Worldmusic sein- ich denke die Frage ist anfürsich schon ein Widerspruch in sich selbst (vielleicht steckt dahinter eine Art Vorstellung vom „edlen unbefleckten Wilden“).

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