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Nun, da sich das aufgeregt nervöse Geschnatter der Berliner Bande sowie ihrer Sympathisanten etwas gelegt hat u. jeder der Gangmitglieder hoffentlich mal ordentlich zutreten konnte (Vater kann stolz auf euch sein), könnte man evtl. zum eigentlichen Sinn dieses threads übergehen u. das wäre die Meinungsäußerung zum heute erschienenen neuesten Werk von Morrissey „Years of refusal“.
Lange angekündigt, aus verkaufs- u. jubiläumstechnischen Gründen um ein halbes Jahr verschoben, steht es nun endlich im Regal.
Ich habe mir mein Exemplar heute Morgen recht zeitig besorgt u. höre die Platte bereits den ganzen Tag. Hier meine ersten Eindrücke:
Die Hälfte der Songs war denen, die Morrisseys setlist 2007/2008 etwas verfolgt hatten ja bereits bekannt. „Thpgu“ & „All you need is me“ nochmals auf die Platte zu packen war Morrisseys expliziter Wunsch, da er sie immer als zentralen Bestandteil der YOR Sessions ansah. Die Plattenfirma wollte sie jedoch unbedingt als Appetitanreger auf der letztjährigen (völlig überflüssigen) Greatest Hits Sammlung.
Und die Songs selbst?
Schon seit den Neunzigern hat Morrissey sein musikalisches Terrain mehr oder minder klar festgelegt. Glam, Pop, Rockabilly in disguise, große Pianoballaden, moderater Streichereinsatz u. nun leider auch vermehrt hemdsärmliger Rock mit Siebziger Attitüde.
Egal ob im gelungen Opener „Something’s squeezing my skull“, dem von Jeff Beck veredelten „Black Cloud“, dem Powerrock von „All you need is me“, der Pianorocknummer „Sorry does not help“ oder gar beim krachigen Finale „Im OK by myself“, das wohl eher unbewusst zu Beginn „Sweet & tender hooligan“ zitiert: es rockt fast überall laut u. wuchtig in allen Schattierungen. Das tat es 1995 bei „Southpaw Grammer“ auch schon, nur war diese Platte damals wesentlich kompromissloser als YOR, denn sie enthielt Progrockmonster in 10 Minutenlänge u. schlichtweg überhaupt keine Balladen.
Diese wiederum sind auf YOR m.E. eher mittelmäßig ausgefallen. Das zugegebenermaßen schön konsumierbare „You were good in your time“ hat er schon ungefähr 2-3 in fast gleicher Form an anderer Stelle dargeboten ( ich denke an „Seasick, yet still docked & All the lazy dykes“) u. das bereits im Vorfeld als Übersong gepriesene „It’s not your birthday anymore“ erschließt sich mir auch nach dem vierten Durchlauf nicht. Klingt für mich wie ein Midtempo Song jeder x-beliebigen UK AOR-Band der Saison 2008/2009.
„I’m throwing my arms around Paris“ ist in meinen Augen weiterhin eine ganz feine Single, die seine letzten Versuche, gerade was ROTT betrifft, um Längen aussticht. Zweieinhalb Minuten auf den Punkt mit einer radiotauglichen Melodie. In UK wird es wahrscheinlich nicht zu einem Top 20 reichen (Midweekplatzierung 18). Vielleicht ein Zeichen des Singles-Überdosierung seit 2004?
Positiv fällt mir „When last I spoke to Carol“ auf, bei dem man, von mexikanischen Maricachi-Bläsern angetrieben, aufpassen muss (es ist schließlich eine Morrissey Platte) nicht mit dem Hintern zu wackeln. Sehr ungewöhnlich, funktioniert aber prächtig.
Was die Texte betrifft kann ich nur den Aussagen von Arne Wilander im aktuellen RS zustimmen.
„Die Liebe steht unter Generalverdacht“ + die üblichen Seitenhiebe gegen die reellen u. imaginären Gegner.
Alles in allem doch ein schön organisierter Gemischtwarenladen, der den Neufans ab „You are the quarry“ sicher gut gefallen wird. Leute die jedoch schon länger Morrissey hören oder gar The Smiths noch im Sinn haben dürften sich mit dieser Platte sicher jedoch nicht zufrieden geben.
Gerade bei den kürzlich dargebotenen Liveversionen von „This charming man“ oder gar dem definitiven Smiths swansong „I keep meine hidden“ glaubt man zu erkennen was Stephen Patrick Morrissey 2009 mit fast 50 Jahren fehlt: kongeniale Partner, auf der Bühne u. im Studio sowie ein Teil seiner jugendlichen Unschuld die ihn in den Achtzigern u. Neunzigern für Empfängliche so unwiderstehlich machte.
Doch wie erkennt er selbst in „Sorry does not help“:
„Sorry will not bring my teenage years back to me any time soon“
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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before."