Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Die Übermacht der Nostalgie in der Wahrnehmung von Popmusik › Re: Die Übermacht der Nostalgie in der Wahrnehmung von Popmusik
Ich habe lange überlegt ob ich hierzu etwas schreiben soll. Zunächst einmal denke ich ist Nostalgie nichts außergewöhnliches- wie Mikko ganz richtig angemerkt hat, gibt es das Phänomen in allen Bereichen (Modelleisenbahnsammler, Barbiepuppen…). Ich bin davor keinesfalls selbst gefeit: Nie würde ich eine meiner Platten die ich in meiner Jugend erstanden habe veräussern- denn es ist tatsächlich wie ein Tagebuch meines Lebens.
Warum also funktioniert gerade bei Popmusik Nostalgie so prächtig?
Ich denke einiges bedenkenswertes ist hierüber schon geschrieben worden:
1.) Die Funktion von Popmusik: In meiner Jugend war kaum etwas definierender für meine Peergroup als unsere musikalischen Vorlieben- Mädchen waren fast Nebensache (für mich zumindest). Diese Funktion fällt natürlich im Erwachsenenalter weg. Stattdessen rückt dann eben Familie, Karriere etc.. in den Vordergrund
2.) Die Wirkung von Popmusik: Wenige Dinge wirken unmittelbarer als (Pop-) musik- dies zeigt sich u.a. daran, daß es mir viel schwieriger vorkommt über Musik zu schreiben als ein Buch zu kritisieren. Eine kritische Auseinandersetzung ist dadurch erschwert.
3.) Mit Popmusik ist es wie Sex (Popmusik ist auch meist eine „körperliche“ Musik, sei es wegen der westlichen Warnehmung von Rhythmik/Trommeln, sei es wegen der sich verselbständigten Legende vom schwarzen Mann mit dem großen Penis, sei es wegen der tatsächlichen Warnehmung durch den gesamten Körper oder schlicht da es meist Tanzmusik ist……): Wer erinnert sich nicht an das erste Mal- das erste mal Bowie hören oder eben das erste mal Neil Young (oder eben Bay City Rollers)- extrem prägend.
4.) Die Wahrnehmung/das Image von Popmusik: Ich denke, daß Popmusik in unserer Gesellschaft immer noch als Jugendmusik wahrgenommen wird und zwar von Jugendlichen für Jugendliche- und damit als minderwertig. Dies zeigt sich einerseits durch geringe Wertschätzung (die meisten Popmusiksendungen sind tatsächlich an Dummheit kaum zu überbieten). Andererseits gibt es ja auch das Phänomen der „ewig Jung gebliebenen“- die sich von Kindergartenmusik berauschen lassen (ich kann mich z.B. noch gut an „Eine Insel mit zwei Bergen..“ erinnern- war das lustig). Auch dadurch wird eine ernsthafte/kritische Auseinandersetzung über Popmusik erschwert.
Die andere Frage natürlich ist, in welches Verhältnis ich mich zu meinen Irrunngen und Wirrungen stelle. Durch mehr Hörerfahrung im Popbereich und vor allem Lektüre (Zeitschriften/Bücher)- ich denke insoweit unterscheide ich mich vom „Durchschnittsbürger“ – hat sich mein Urteil über vieles was in meiner Plattensammlung steht stark relativiert. Dennoch: Den Schritt mich dem zu Entledigen – hierzu bin ich selbst zu nostalgisch.
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