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Hotblack DesiatoDas hängt vermutlich damit zusammen, das man mit der Musik positiv empfundene Erlebnisse (und sei es nur ‚Jugend‘) verbindet, eine Art Reflex also der auch nach Jahrzehnten noch bestens funktioniert. Ähnlich wie das Flaschenbier über den Saugreflex wieder unterbewusst an die Mutterbrust bringt. Während Bücher oder Filme idR erhöhte Aufmerksamkeit verlangen; ich kann schlecht mit den Kumpels eine riesen Sause mit Vatters Ford Granada zum Baggersee machen und dabei Karl May lesen, nein, dazu liefen eben die Crackers und alle gröhlten ‚Komm Bambino…‘. Musik ist also oft Soundtrack zum Event und das Höhren der Musik später bringt einen den Event wieder in Erinnerung und selbst wenn der Event gar nicht so positiv war, setzt allzu menschlich der Verklärungsmechanismus ein, weil man immerhin jung war. (bei mir: Howard Jones – What Is Love -> Tanzschuldisco (urgh) -> unglücklich verliebt in M. aus dem Nachbardorf -> Hey, ich war 15!). Bücher kann man schlecht zum Event machen, bei Filmen klappt das schon eher (Rocky Horror Picture Show, Blues Brothers). In der heutigen Zeit, in der jeder Scheiß zum Event hochstilisiert wird, funktioniert das also bestens. Die wenigsten, die dazu neigen ‚Black Betty‘ immer noch supergeil zu finden, dürften jemals konzentriert vor der Anlage gesessen haben.
Ja, das mag wohl hinkommen, auch wenn mir Deine Phänomenologie aus eigener Anschauung nicht geläufig ist. Dein letzter Satz vor allem liefert einen passablen Erklärungsansatz: wer sich mit seiner Musik nicht intensiv beschäftigt, läuft akut Gefahr, die falsche zu hören.
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