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Herr RossiWenn man das immer so genau wüsste, wann Wolfgang von „den Leuten hier“ und wann von „denen da draußen“ spricht, das lässt er ja gerne im Unklaren.
Mich wundert es, wie Begriffe wie „Schund“ und „Kitsch“, die eigentlich mit der autoritären Pädagogik und dem Bildungsbürgertum in den 60er Jahren ihr verdientes Ende gefunden haben sollten, ausgerechnet im Pop-Kontext wieder auferstehen sollen. Wir reden hier von einer Musik, die damals in Bausch und Bogen als minderwertig abgestempelt wurde. Wenn ich das sage, meine ich nicht, dass man nicht seine Maßstäbe in der Beurteilung von Musik usw. finden sollte, aber wie einst humanistisch gefestigte Gymnasiallehrer und verkniffene Anstandsdamen sich schmallippig über Groschenhefte, Schlager und seichte Unterhaltung und ihren verderblichen Einfluss zu echauffieren, ist nicht meine Vorstellung von einem kulturellen Diskurs im Jahre 2008.
Reine Demagogie. Oder – das unterstelle ich mal zu Deinen Gunsten – ein fundamentales Mißverständnis. Denn…
1. …es war weder die Rede von „den Leuten hier“ noch von „denen da draußen“. Mir ging es um das Phänomen an sich und das ist überall zu beobachten. Natürlich auch hier. Ständig. Nur weil ich keine User-Namen nenne und niemanden persönlich an den Pranger stellen will, lasse ich nichts „im Unklaren“, und „gerne“ schon gar nicht.
2. …die verräterischen Begriffe „Schund“ und „Kitsch“ hast Du eingeführt, sie haben nicht das geringste mit meiner Frage zu tun. Erst recht nicht im Zusammenhang mit „autoritärer Bildungspolitik“ und „Bildungsbürgertum“. Woher nimmst Du nur die Dreistigkeit für solche infamen Unterstellungen? Deiner ganzen Argumentation liegt ein Pop-Begriff zugrunde, der alles eingemeindet, vom banalsten Fließbandprodukt bis zur subversivsten Lärmattacke. Alles dasselbe, alles vom „Bildungsbürgertum“ zum „Schund“ erklärt, alles „in Bausch und Bogen als minderwertig abgestempelt“. Blödsinn! Selbst im muffigen Schulbetrieb der 60er Jahre wurde eifrig differenziert. Deine „humanistisch gefestigten Pauker“ ließen die Beatles oder Beach Boys meist duldend durchgehen, nicht weil sie mit der Musik allzuviel anzufangen wußten, sondern weil sie ihnen keine Angst einjagten, weil sie ihren antiquierten Bildungsbürgerkanon nicht in Frage stellten, sich sogar prächtig darin einordnen ließen und deshalb keine hasserfüllten Reaktionen hervorriefen. „Schlager und seichte Unterhaltung“, da kann ich Dich beruhigen, störten keinen noch so autoritären Lehrer. Die hatte es schließlich schon immer gegeben, die wurden einfach ignoriert. Niemand „echauffierte“ sich deshalb oder vermutete einen „verderblichen Einfluß“ auf wen auch immer. Da brauchte es schon ein bißchen mehr an Kompromisslosigkeit und Aggressivität, von Aussehen und Lautstärke ganz abgesehen, um so einen Pädagogen auf die Palme zu bringen. Du wärst mitsamt Deiner Musik zu allen Zeiten wohl gelitten gewesen und hättest mit den schlimmsten Anstaltsdespoten ein Auskommen gehabt, ganz sicher. Und ein „kultureller Diskurs im Jahre 2008“, der nicht auch auf dieser grundsätzlichen Differenzierung fußt, ist keiner. Es widerspricht Deinem Musikverständnis diametral, ich weiß, aber Pop, Herr Rossi, ist eben nicht gleich Pop. Meine Frage nach möglichen Ursachen für das unbedingte Festhalten an pubertären Irrtümern bis ins hohe Alter wird von Deinen (unabsichtlich?) perfiden Vergleichen mithin nicht beantwortet, ja nicht einmal tangiert.
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