Re: Die Ãœbermacht der Nostalgie in der Wahrnehmung von Popmusik

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dougsahm
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Antwort auf Wolfgang:

Äusserst interessante Überlegungen, die ich so noch nicht angedacht hatte (mehr davon !). Als Halbsoziologe habe ich schon einen Erklärungsansatz (dabei spreche ich jetzt im Folgenden nicht vom Spezialisten wie Dir): Wann stößt man schon gezwungenermaßen auf Groschenhefte seiner Jugend, wann stößt man schon gezwungenermaßen auf Sissi ? Nahezu nicht. Wann stößt man aus heutiger Sicht auf zu vernachlässigende Musik seiner Jugend ? Permanent. Es ist ja nicht so, dass man zu 100% am Dudelfunk vorbeikommt, niemals Autoradio hört oder auf Festen/Hochzeiten/Sonstigem/etc. ist, auf denen bei Musik der kleinste gemeinsame Nenner läuft. Sissi-Filme und Groschenhefte spielen bei solchen Anlässen keine Rolle, Musik sehr wohl. Deshalb fehlen bei Erstgenannten die permanenten nostalgischen Nadelstiche, bei Musik sind sie sehr wohl vorhanden. Ein immer wiederkehrender pavlovscher Reflex ,sich an „schön war die Zeit“ zu erinnern. Hinzu kommt, dass es nichts Schlechteres gibt als Groschenhefte. Es gibt aber sehr wohl schlechtere Musik als die, auf einer Hochzeit als wohltuend empfunden wird. (Beispiel) Hör dir mal 3 Stunden volkstümliche Musik an, und dann kommt ein Cover von Les Humphries – wie wohltuend und nostalgisch wird das empfunden – und zack sticht wieder eine kleine Nadel. Zusammengefasst: Die Allgegenwart von Musik macht es nicht möglich sich von Jugendneigungen so zu entfernen wie bei Literatur und Filmen. Natürlich durchschnittlich gesehen.

Begleitet wird das obendrauf noch von der Tendenz, dass es einfach ein Persönlichkeitsmerkmal ist, zu welchem Prozentsatz jemand in der Vergangenheit oder Gegenwart oder Zukunft lebt. Ist auch gut so, dass sich die Menschen da unterscheiden.

Die krasse Unterscheidung „bei Film und Text gilt Variante 1 und bei Musik gilt sie nicht“, beobachte ich übrigens nicht so extrem wie Du. Es lassen sich auch genügend Beispiele finden, dass Menschen B-TV-Serien aus ihrer Jugend weiterhin vergöttern oder gar Heftchen sammeln und suchen.

Ich könnte ad hoc noch weitere Thesen aufstellen, von denen ich mir aber weit unsicherer bin, ob diese valide sind oder reine persönliche Erfahrungen. Deshalb belasse ich es bei obigen Geschriebenen.

Anregender Denkansatz allemal. Klasse.

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