Startseite › Foren › Das Konzert-Forum: Wann, wer und wie › Und so war es dann › Calexico, 09.10. Columbiahalle Berlin › Re: Calexico, 09.10. Columbiahalle Berlin
Wenn man lesen koennte haette man schnell gelernt das es sich hier nicht um ein regulaeres Calexico Konzert handelte sondern um eine Jubilaeumsveranstaltung der Konzertagentur Berthold Seliger.
Aber heutzutage haben die Leute anscheinend einfach nicht mehr die Konzentrationsspanne um drei Sachen auf nem Ticket durchzulesen, oder geschweige denn mehr als die Schlagzeile auf nem Plakat.
Normalerweise spielen Vorgruppen eine halbe oder dreiviertelstunde. Aber es handelte sich an dem Abend nicht um Vorgruppen. Also hat Marko Markovic auch ein volles Set gespielt. Ok die Pausen waren zu lange,
aber was mich wirklich aufregt ist diese urdeutsche Mentalitaet immer was zum meckern finden zu muessen. Drei Bands an einem Abend ist in den USA voellig normal. Und wenn da mal auch Schrott dabeo ist, auch egal, hauptsache man het nen schoenen Abend abseits von zu Hause.
Mein Vorschlag an dich. Lern lesen und aussortieren oder bleib doch einfach mit deiner Freundin zuhause und guck Fernsehen. Da hast du alle Pausen unter Kontrolle. Einfach an und ausschalten.
Sebastian FrankHerrje, war das fürchterlich. Nicht Calexico, nein, denn die habe ich gar nicht zu Gesicht bekommen. Bewußt.
Meine Abneigung gegenüber Vorbands besteht, seit ich Konzerte besuche. Fast immer stören sie nur. Ganz selten gibt es positive Ausnahmen. Meistens ist es jedoch überflüssig, Vorbands zu ertragen. Die von heute haben mich regelrecht gezwungen, das Konzert vorm Hauptact zu verlassen.
Es begann mit einer Frau, die äußerlich wie ein Fossil der Flowerpower Bewegung erschien. Ihr einziger Begleiter war eine umgehängte E-Gitarre, die nur den Zweck hatte, sie als Folterinstrument zu benutzen. Was ab dem ersten Ton folgte, war eine Freakshow die dazu geeignet wäre, Suizidkandidaten einen unwürdigen Abschied zu bereiten. Ein Gebrülle und Gegrunze, dazu die Vergewaltigung der 6 Saiten, Akkorde, die einen das Fürchten lehrten. Man fragte sich ernsthaft, was die hier zu suchen hat. Es gibt sicher in jeder Kleinstadt Dutzende talentierterer Schülerbands. Zwischendurch nuschelte sie noch irgendwas von “…songs of my new record“.
Nach 5 „Songs“ war Schluß. Leider konnte das nur kurzfristig für Erleichterung sorgen. Was folgte war eine dieser schrecklichen Phasen, in denen gar nichts geschieht. Soundcheck war wohl nicht mehr nötig, die Instrumente standen bereits ordentlich aufgereiht auf der Bühne. Also warten. Nach etwa einer dreiviertel Stunde kamen endlich die ersten Unmutsäußerungen des Publikums. Schließlich ging endlich die Konservenmusik aus, das Licht wurde gedimmt – und es erschien die nächste Vorband. Was für ein Alptraum. Jeder hatte mit Calexico gerechnet. Doch wir erlebten nun das Boban Markovic Orkestar, eine lustige Trötentruppe vom Balkan.
Etwa ein Dutzend Männer kommt in befremdlichem weißen Matrosenfummel auf die Bühne, lediglich der Bandleader hat sich zur optischen Unterscheidung für ein kurzärmliges kariertes Hemd mit zwei Brusttaschen entschieden. Jener Boss ist so eine Art Miles Davis auf Speed, der so viele Töne wie möglich in knappster Zeit ins Mikro bläst. Der Rest des Orchesters stampft und posaunt, vollführt dabei alberne Tanzeinlagen und lässt das unangenehme Gefühl aufkommen, sich in einer westfälischen Einkaufspassage zu befinden. Ganz bitter: das Einheizen der Gypsykapelle kommt irre gut an. Ein musikalisch offenes Publikum, das sicher Kroatien nicht von Arizona oder gar Mexiko unterscheiden kann, kommt so richtig in Fahrt. Junge Frauen aus dem Prenzlauer Berg, die glauben, dass sich ihre beschränkte Hippness hier musikalisch widerspiegelt, erleben glückliche Momente. Meine Freundin, längst am Ende ob dieser grenzdebilen Zirkusveranstaltung, ist sehr erleichtert, als ich ihr signalisiere, dass wir ruhig bald gehen können. Uns ist die Lust auf mehr endgültig vergangen, schließlich waren wir schon an die zweieinhalb Stunden in der Halle, ohne das erkennbar gewesen wäre, daß sich die zweite Vorband bald verziehen würde.
Ich habe Calexico vor gut neun Jahren an selber Stelle erlebt. Es war wirklich gut damals. Wie gut es heute war, erfahre ich vielleicht morgen im Radio.
Von denen hatte ich immerhin auch die Freikarten.
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