Re: Animal Collective – Merriweather Post Pavilion

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go1
Gang of One

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Der Verweis auf Progrock ist mir unverständlich. Das will mir überhaupt nicht einleuchten. Magst Du erklären, wie Du auf den Gedanken gekommen bist, Mikko? Vielleicht verstehen wir unter Prog ganz unterschiedliche Dinge?

Meinen Begriff von Prog-Rock würde ich ungefähr so darstellen: Prog-Rocker wollen beeindrucken und tun es gerade deshalb nicht – man fühlt die Absicht und man ist verstimmt. Mein Lieblingsbeispiel ist der dritte Teil von „Close to the Edge“, einem der besten Progstücke, die ich kenne, wenn sich Rick Wakeman an die große Orgel setzt und mächtig in die Tasten greift. Als Teenager fand ich das auch mächtig eindrucksvoll, heute nervt es mich als vordergründig und effekthascherisch. Um zu beeindrucken, neigt der Prog-Rocker zu bombastischen Arrangements und zum ausufernden „long-track“, der gerne mal ganze LP-Seiten füllen darf und meist in Suiten-Form angelegt ist – denn das ist eine weitere seiner Unarten: alte Hüte aus der klassischen europäischen Musik als letzten Schrei „fortschrittlicher“ Rockmusik auszugeben. Des weiteren hält sich der Prog-Rocker viel auf seine Virtuosität zugute – für ihn kommt Kunst von Gniedeln-Können. Er will auch damit beeindrucken, dass er seine Fingerfertigkeit vorführt, in langen Soli, die künstlerisch nichts aussagen, sondern einfach nur technisch anspruchsvoll sind. Seine Texte sind nichtssagend bis eskapistisch: Er lässt sich oft von Tolkien oder von der Arthus-Sage inspirieren und offenbart sich damit als juvenil und ein bißchen albern. Trotzdem gibt er sich als „ernsthafter“ Musiker und kultiviert seine Verachtung gegenüber der „billigen“, „anspruchslosen“ Popmusik in den Charts. Von Singles hält er wenig; für ihn ist „Ernsthaftigkeit“ mit dem Albumformat verbunden. Der Prog-Rocker ist also alles in allem ein ziemlich prätentiöser Bursche. (Es ist klar, dass ich mit Progrock nichts anfangen kann. Für Art-Rock dagegen bin ich schon empfänglich – Roxy Music wären da ein Beispiel.)

Das sind so die Assoziationen, die mit dem Stichwort „Progrock“ bei mir ausgelöst werden – und nichts davon finde ich bei Animal Collective wieder.

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To Hell with Poverty