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Da die „Indie“-Diskussion sich im Kreise dreht (man hat eben nur ungefähre Vorstellungen davon, was heute damit gemeint sein könnte), ist vielleicht Zeit für eine Zusammenfassung.
In diesem Thread, so wie er sich bisher entwickelt hat, geht es zum einen darum, wie wichtig einem die Aktualität in der Popmusik ist, was jeder für sich mit „Sehr wichtig – Wichtig – Weniger wichtig – Nicht wichtig“ beantworten kann, und zum anderen um die spannendere Frage, woran das jeweils liegt, wovon das abhängt. Da kommen dann einerseits die persönlichen Herangehensweisen an Musik zur Sprache: Für die einen macht es einen Unterschied, ob sie Musik von Zeitgenossen oder von Altvorderen hören, den anderen ist das egal. Andererseits sind ein paar allgemeine Thesen vorgeschlagen worden:
a) Es liegt am Alter:
dougsahmJe jünger man ist, desto wichtiger ist einem Aktualität. Wie soll man sich sonst von alten Haudegen abgrenzen, die alles Gewesene kennen.
Die Jugend ist ohnehin dem Neuen zugewandt, weil sie sich ihm verwandt fühlt.
b) Es liegt am Gegensatz von Stadt und Land:
dougsahm
Auf dem flachen Land ist Aktualität weniger wichtig als in Ballungsräumen. Erstens durch den Prozess der Selbstselektion: Wer am Puls der Zeit sein möchte, wählt nicht auf dem flachen Land zu leben. Zweitens, weil es in der Pampa kaum Leute gibt, die auf gleicher Augenhöhe Ahnung von Musik habe und somit der sportive Wettbewerb etwas aktuelles zuerst zu entdecken gar nicht stattfindet.
In der Großstadt ist man näher dran am aktuellen Geschehen, dort sind die Konzerte und die Plattenläden. (Wobei das Internet einen Teil des ländlichen Rückstands ausgleicht.)
c) Es hängt davon ab, was die Gegenwart zu bieten hat: In einer dynamischen, vorwärtsdrängenden Musikszene hat man keine Zeit für alte Platten; es gibt ja genug neue, die interessant und spannend sind. Umgekehrt legt eine statische, behäbige Gegenwart es nahe, die thrills in den Reichtümern der Vergangenheit zu suchen.
Sonic JuiceEs gibt seit vielen Jahren keine aktuelle Szene, die mich musikalisch anspricht und so lebendig ist, dass dort ständig etwas neues passiert und man das Gefühl hat, sich inmitten einer jungen kreativen Dynamik zu befinden, bei der man sehr aufpassen muss, dass man nichts verpasst.
d) Es hängt davon ab, ob man am Popgeschehen teilnehmen will oder nicht:
Herr RossiVieles was Pop ausmacht – Live-Konzerte, Fan-Sein, Gemeinschaftsgefühl, Identifikation, Abgrenzung, sich auf die neue Platte freuen, den neuesten Gossip austauschen usw. hängt mit Gegenwärtigkeit zusammen. Das sind „wir“ und das ist „unsere“ Band.
Zu P!O!P! gehört Gegenwärtigkeit – die neuesten Hits, die aktuellen Trends, das Bewußtsein, als einer der ersten oder zusammen mit vielen anderen die Band der Stunde zu hören, das Gefühl, sich in einer lebendigen Szene zu bewegen, hier und heute dabei zu sein.
e) Es liegt an den musikalischen Vorlieben: Manch einer bevorzugt abgestorbene, untote Genres wie z.B. Blues – da spielt Aktualität natürlich keine Rolle. Gerade im RS-Forum bevorzugen viele Leute solche Musik, die entweder von früher stammt oder so klingt als könnte sie von früher stammen oder die sich wenigstens unmittelbar an den alten Helden von früher orientiert – da können die aktuellen Veröffentlichungen nur ausnahmsweise mit den Originalen von früher mithalten. (Hierzu lieber keine Zitate…)
Das dürften die wichtigsten Punkte bisher gewesen sein, soweit ich das sehe. Mal abwarten, was noch kommt.
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To Hell with Poverty