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BrundleflyDaher würde mich folgendes interessieren und das geht jetzt explizit an die Onkelz-Hörer: was genau ist an deren Musik herausragend (oder: im Vergleich mit anderen drittklassigen Punk/Oi-Bands einzigartig), dass man sie ständig derartig verteidigen muss?
Das Fandasein ist eigentlich längst verjährt, aber ich will es dennoch versuchen. Ich glaube, gerade im Rückblick, kommt man nicht umhin, selbst ich, als ehemals großer Fan (wenn auch nie Fanatiker), die Musik ein wenig als Phänomen bestimmten Alters zu bezeichnen. Die Personen hinter der Musik haben mich nie zu großen Forschungen angeregt, wie die Band für mich auch nie (bitte genau lesen!) glaubwürdig rechtsorientiert war. Linksorientiert (bei allem drehen, aalen und wenden) allerdings ebenso wenig. Das was Politisch sein sollte, war stets zu bemüht, zu sehr an Szenen angebiedert, zu naiv, kindlich, berechenbar, letztlich also Gedankengut ohne jeden Hintergedanken, ohne Rückgrat. Das ist für mich auch der entscheidende Grund, aufgrunddessen die „Distanzierung“ für mich nie die größte Rolle gespielt hat, war doch schon das Parolengröllen selbst („Türkenfotze!“, „Deutschland, Deutschland, Vaterland!“, „Vereint, brechen wir ketten!“) viel zu sehr aus dem Klischeealmanach gefischt – leider waren aber, das lässt sich nicht abstreiten, wieder genug Hansis im Umlauf, die für sich da gesuchtes Fressen ergattern konnten (leider spricht Dümmlichkeit stets gleichsam Dümmlichkeit ohne Widerworte an, das ist das eigentlich Gefährliche).
Aber zur Musik selbst: Neben dem ganzen Sondermüll, den die Onkelz über die Jahrzehnte produzierten – umspannt alle Schaffensphasen, nicht nur die Frühe – gab es immer wieder, selbst aus heutigem Blickwinkel, mehr als hörenswerte Songs. Der größte Pluspunkt ist in diesem Fall übrigens das große Ouvre selbst: Mehrere hundert Songs, thematisch natürlich öfters auf einer Linie und selten frei von Plattitüden, aber ich weiß noch genau, dass mir der Satz mal über die Lippen kam, die Onkelz hätten einen Song für eigentlich jede Lebenslage geschrieben. Und ein wirklich jeder vermittelt etwas: Zusammenhalt, auf ganz eigene Weise. Böhse Onkelz ist gewissermaßen Außenseitermusik, Kunst für Versprengte und Einsame, die dann Russel und Weidner für ihr verständnisvolles Kopftätscheln schier die Finger küssen möchten. Nein, so ernst ist es natürlich nicht, aber es sind Songs, die mit sich ins Reine kommen lassen, man fühlt sich augenblicklich verstanden und wenn man bedenkt, welchen Gemeinschaftsgeist die Fans untereinander entwickelten, ist das vielleicht sogar ein Phänomen, das es in der deutschen Pop/Rock-Musik so in dieser Art selten gab. Es war gewissermaßen ein gemeinsamer Kampf für etwas, das Feindbild konnte dabei variieren. Mal war es die ignorante Obrigkeit, dann der Ausländer, die Presse, Antifa, die Demagogen und Prediger, Junkies, Lügner, Feiglinge, Gefühllosen, falsche Freunde und Verflossene – und noch viele mehr. Und gleichsam richtete sich die Musik auch immer gegen sich selbst, gegen den Körper, der sich den Drogen ausgeliefert sieht, der an Narben mahnt, Fehler der Vergangenheit – auf eine Art unwiderstehlich heroisch und sowieso: Ganz einfach getextet, jeder kann es singen, jeder kennt es, wer entging den Onkelz?
Da verschmerzt man dann auch, dass die Musik sich zwar stets weiterentwickelte, packender wurde, aber zu keiner Zeit wirklich kreativ war, Kevins Gesang lediglich mitleiden, aber nie beneiden ließ- war aber alles nebensächlich. Die Onkelz waren ohnehin mehr ein Lebensgefühl, etwas, das mir andere Oi/Punkt-Bands (die weitere Szene hat mich darüber hinaus allerdings auch nie wirklich interessiert) nicht liefern konnten. Allerdings stimmt es dennoch: Schlechter bzw. besser als das Gros der Bands ähnlicher Spielart waren die Onkelz nie und von unterirdischer Musik zu sprechen, empfinde ich daher bis heute auch mehr als unreflektierten Beißreflex. Dafür ist der Backkatalog der Band auch viel zu umfangreich, produktionstechnisch – wie auch themathisch – viel zu unterschiedlich und ja: Die Qualität nahm in den späten Jahren, als sich selbst die ehemaligen Anhänger allmählich abwandten, dann doch erheblich zu. Ich lege die Platten heutzutage selten auf, ich kenne sie allerdings auch zu gut, da müssen wohl noch ein paar Jahre an Distanz drüber wachsen, aber bspw. „Dopamin“, ihr vorletztes Werk, halte ich – nur für sich genommen“, wie auch den Vorgänger, „Ein böses Märchen“, weiterhin für defintiv hörenswerte, über den Tellerand schauende Werke, die man sich durchaus widmen darf. Und für das „A.D.I.O.Z.“, ein Instrumental, des Abschlusswerkes, gebe ich weiterhin einen ganzen Sternenhimmel, wundervoll. Hoffe, das genügt Dir als Erklärung.
P.S. Mal ein Beispiel für einen Song, den ich heute noch sehr gerne mag: Einmal
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Hold on Magnolia to that great highway moon