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MikkoIch will jetzt nicht über Morrissey und sein Verhältnis zur britischen Nation (gibt es die eigentlich?) spekulieren, weil ich darüber wirklich zu wenig weiß.
Darüber gibt er in „Irish Blood English Heart“ doch Auskunft. Im Gegensatz zu den distanziert erzählenden Songtexten ist der Text sowas wie ein Glaubensbekenntnis. Die Frage, ob es eine britische Nation gibt, berührt natürlich ein schwieriges Problem. Nationen sind gedankliche Konstruktionen, sie entstanden in den politischen Konflikten der Neuzeit als Angebote zur Identifikation des Einzelnen mit einer wie auch immer (von verschiedenen Interessen unterschiedlich definierten) Gemeinschaft und zur Integration von sozialen Gruppierungen mit widerstreitenden Interessen. Die „Erblast“ der britischen Nation ist einerseits der Kolonialismus, andererseits die politische und kulturelle Dominanz der Engländer. Viele Schotten, Waliser und (Nord-)Iren fühlen sich bis heute als Briten zweiter Klasse. Morrissey definiert sich dabei selbst als „Mischling“ (irisch/englisch) und träumt sich eine unschuldige Nation zurück:
I’ve been dreaming of a time when
To be English is not to be baneful
To be standing by the flag not feeling
Shameful, racist or partial
Diese Nation hat es aber nie gegeben, denn die Idee einer britischen/englischen/schottischen/irischen … Nation entsteht erst aus der neuzeitlichen Geschichte. Aber Morrissey verachtet genau die Kräfte, die diese Nationalgeschichte geprägt haben:
I’ve been dreaming of a time when
The English are sick to death of Labour
And Tories, and spit upon the name of Oliver Cromwell
And denounce this royal line that still salute him
And will salute him forever
Morrissey erliegt hier der romantischen Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts, demzufolge es sowas wie einen quasi natürlichen, urwüchsigen Nationalismus gab, der erst durch die politischen Kräfte der Moderne korrumpiert wurde und zu dem man zurückkehren könne und müsse. Ein nüchterner Blick auf historische Zusammenhänge und gegenwärtige politische Probleme sieht anders aus.
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