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latho
Ich kann mich dazu eigentlich nicht äußern, weil ich die Bücher nicht lese, aber warum wird Geld, dass durch einen winzigen Förder-Kreis vergeben wird, an einen Schriftsteller gegeben, dessen einziges Merkmal sein wird, gerade eben diesen Preis bekommen zu haben? Und wieso ist das dann gute Literatur – gerade hier ist es doch so, dass es eine überschaubare Szene aus Schriftstellern, Gremien und Kleinverlagen gibt, die sich das Geld gegenseitig zuschanzen und sich dabei versichern, sie förderten die hohe Kunst der Literatur, deren Definition aber widerum nur von ihnen verfasst wurde.
Du liest aus Prinzip keine Bücher von Autoren, deren Karriere erst durch das von Dir kritisierte System ermöglicht wurden? Du wirst ja kaum einen namhaften deutschen Autoren der letzten 60 Jahre – von der Gruppe 47 über Thomas Bernhard bis Rainald Goetz – finden, dessen Karriere nicht auch durch Literaturpreise befördert wurden. Auszeichnungen und Rezensionen sind in der Literatur nunmal die entscheidenden Instrumente, um die Bekanntheit und den Marktwert eines Autors zu steigern, damit er vielleicht irgendwann auch mal im Idealfall ein Selbstläufer wird. Ohne eine breite Auszeichnungskultur wird man unter vielen Künstlern mit Potenzial auch nicht die paar ganz Großen ans Tageslicht bringen. Auch ein Autor, der bei Suhrkamp veröffentlicht, ist in aller Regel kein Großverdiener, sondern jemand, der sich von Preis über Lesung zu Stipendium durchs Kalenderjahr schleppt.
Und wer soll sie denn sonst küren, die förderungswürdigen Literaten, wenn es nicht die Kritiker, Journalisten, Kulturpolitiker, Bibilothekare, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler tun, die in den Gremien sitzen? Der Souverän durch Volksentscheid an der Kasse von Thalia?
lathoDas Kino, in das ich normalerweise gehe, wäre ohne Beihilfen wohl auch schon zu (Fremdsprachen, you know?). Und so etwas meinte ich in diesem Zusammenhang auch nicht, zumal ich den Vergleich Kultur (in dem Zusammenhang, von dem ich gesprochen habe) und Straßen nicht ganz nachvollziehen kann. Und über die Strecke zur nächsten Großstadt müssen wir nicht diskutieren, da müssen wir nur „Großstadt“ festlegen.
Nochmal: eine Kulturförderung, auch jenseits von Bildungseinrichtungen und „Denkmalpflege“ ist sinnvoll und notwendig, kann aber auch anders gemacht werden als bisher. Wie otis geschrieben hat, gibt es zahlreiche Beispiele, wo man sparen könnte, wo man auch sagen könnte, richtet euch auf das Publikum aus oder schließt es ganz. Die ganze Szene hält sich doch selbst oft für eine heilige Kuh, an der nicht kritisiert werden darf, erst recht nicht grundsätzlich, weil ja eben sonst das Abendland untergeht.
Es sollte auch nicht so sein, wie jüngstens in der Filmförderung diskutiert (oder schon tatsächlich durchgeführt?), dass nur noch zu erwartende Massenspektakel Geld bekommen.
Wenn Dir in der Literatur die Förderung jenseits des Massentauglichen und -verkaufbaren tatsächlich nicht zusagt, verstehe ich nicht, warum Du dann nicht konsequenterweise im Film einfach ebenso die Massentauglichkeit und Selbstverkäuflichkeit als einziges Kriterium preist. Doch nicht nur zufällig, weil Du Dich eben für dieses Medium mehr interessierst – nach dem Motto: Förderung ja, aber bitte nur für die Nischenkultur, die mir gefällt! Weshalb sollte denn für viel Geld ein unverkäuflicher Film im Originalton, der von einem winzigen Publikumskreis geschätzt wird, in einem Kommunalkino für eine eingebildete Cineasten-Elite gezeigt werden, wenn er sich nicht gegen die Blockbuster im Cinemax durchsetzen kann? Wer wählt denn da das Programm aus? Und wieso ist das dann gutes Kino? Warum sagt man dem Kinobetreiber nicht: richte Dich auf das Publikum aus oder schließ es ganz?
Die Diskussion über die ausschließliche Förderung von „Massenspektakeln“ ist mir übrigens für den mir (beruflich) bekannten Teil der Filmförderung nicht bekannt, scheint mir auch ein recht abwegiger Gedanke zu sein. Du kannst ja mal bei Interesse exemplarisch den [B]Förderkatalog von Nordmedia 2007 durchblättern, das sind nun – von den potentiellen cash cows „Fleisch ist mein Gemüse“ und „Chiko“ mit Multiplex-Tauglichkeit abgesehen – wahrlich nicht die großen Blockbuster, die da unterstützt wurden.
Über die Schwerpunktsetzung bei der Förderung zwischen breitentauglicher, fernsehverträglicher, gutgemeinter, kompromissfreudiger Volkserziehung und innovativer Avantgarde lässt sich sicherlich streiten, ich bin da mit dem gängigen System auch nicht ganz glücklich. Weiß auch noch nicht so recht, ob das eher mit einzelnen Köpfen zusammenhängt, die halt so oder anders entscheiden, oder aber mit der grundsätzlichen Rolle, die die Filmförderung im gegebenen politischen, gesellschaftlichen und medialen System in Deutschland einnimmt.
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