Re: Keith Jarrett

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gypsy-tail-wind
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newk@GTW
OK, ich weiß was Du meinst.
Sorry übrigens falls mein post etwas pampig wirkte.

Nein, nein – ich hab mich da auf die Äste rausgelassen…

bullschuetzIch schweige betroffen, weil ich Deine Einwände sehr bedenkenswert finde. Ich muss erstmal drüber nachdenken. Vielleicht finde ich später Zeit für mehr.

Was ich machen wollte, ist wie gesagt, Jarrett etwas zu entzaubern. Das will aber, wie ich auch schon schrieb, keinesfalls heissen, dass er nichts kann, dass hinter seinen „voraussetzungsfreien“ Solo-Improvisationen nicht eine beachtliche und durchaus verehrenswürdige Anstrengung steht.

Siehe auch:

vorgarteneine der leichtesten übungen, jemanden, der etwas wagt, wieder auf den teppich der relativität zu holen, auch wenn das natürlich alles stimmt: klassische ausbildung, jazzavantgardegeschichte, solopiano sind keine erfindungen von jarrett und irgendwie auch voraussetzungen und sicherheitsschirme für seine konzerte.

trotzdem ist es ein unterschied, ob jemand sich vor ein live-publikum setzt und eine standardinterpretation spielt und dann noch eine und noch eine – oder ob er versucht, so wenig rettungsschirme wie möglich aufzuspannen und so weit wie möglich an einem kreativen akt „aus dem nichts heraus“ heranzurücken. ich kann die resultate als gelungen oder misslungen betrachten und die frage stellen, ob man da nicht nur die gelungenen veröffentlichen sollte – aber ich muss doch mal diesen (jazzgeschichtlich äußerst seltenen, chris abrahams fiele mir noch ein) versuch würdigen.

ich habe irgendwo mal gelesen und finde es nicht wieder, dass jarrett das KÖLN CONCERT selbst längst eingestampft hätte, weil er seinen musikalischen zugang darauf selbst nicht mehr versteht.

Das kann ich so fast alles unterschreiben. Allerdings gibt es schon andere Pianisten – Cecil Taylor zuvorderst – die auch solche Solo-Rezitale gespielt haben. Irène Schweizer baut üblicherweise – grad in grossen Hallen – einige Kompositionen (gerne welche von Monk) ein, aber auch sie beherrscht diese Kunst. Auch jemand wie Steve Lacy hat Solo-Konzerte gegeben, oder Wadada Leo Smith, Anthony Braxton, Jimmy Lyons, Sam Rivers… vor Bläsern, die das machen, habe ich noch einen viel grösseren Respekt als vor Pianisten, und im Spiel von Lacy (oder z.B. auch Lee Konitz, um jemanden zu nennen, der sich fast ausschliesslich auf Standards bezieht – er trat aber meines Wissens auch in seinen avantgardistischen Jahren nicht solo auf) finden sich gerade so wenige Sicherheitsnetze, wie in Jarretts Solo-Rezitalen.

Der Unterschied (ich verweise wieder auf redbeans‘ prägnanten kurzen Post oben) ist einfach der, dass Jarrett die ganze Zeit davon redet, was man sehr wohl als Zeichen dafür interpretieren kann (vielleicht sogar muss – dazu weiss ich auch zuwenig über Jarrett), dass es ihm eben besonders grosse Anstrengung abverlangt, dies zu tun. Und auch diese Feststellung ist nicht da, um Jarrett schlechter zu reden als er ist… so ist das einfach, manche können ähnliche Resultate erbringen, den einen fällt’s leichter als den anderen, für die einen ist ein grosser Kraftakt nötig, für andere ist es eine Selbstverständlichkeit. Da ist keine Wertung dabei.

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