Re: Keith Jarrett

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gypsy-tail-wind
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„Tribute“ lege ich in den nächsten Tagen auch mal wieder auf, muss mich drauf achten!

Die Vamps… nun ja… Solo können sie echt nerven – sie sind übrigens einer der Sicherheitsnetze. Im Trio können sie verdammt toll sein, auf frühen Trio-Aufnahmen konnten sie aber auch nerven. Viel mehr habe ich dazu aber auch nicht zu sagen.

Was nun die Sicherheitsnetze (und damit bullschuetz‘ Post) betrifft: das sehe ich etwas anders… ich kenne Deinen (bullschuetz) Background als Hörer (und/oder [Amateur]Musiker) nicht und will Dir keinesfalls zu Nahe treten, aber: Solo-Konzerte sind im Jazz keine so grosse Seltenheit, erst recht nicht von Pianisten. So gesehen müsste man eher ein Konzert von John Lewis, Hank Jones, oder stilitisch naher bei Jarrett, von McCoy Tyner, Chick Corea, Herbie Hancock zum Vergleich herbeiziehen. Es gibt wohl fast Legionen von Pianisten, die einigermassen regelmässig Solo-Konzerte gegeben haben und – so sie noch unter uns weilen – geben.

Natürlich: Jarrett verlässt sich ganz auf den Genius des Augenblickes, spielt Solo (fast) nie Kompositionen (manchmal als Zugabe) sondern improvisiert. Das nun gehört aber nach meinem empfinden für jeden *wichtigen* (Betonung darauf, und mit diesem Kriterium fallen viele der „young lions“ und anderen Post-Bop-Post-Modern-Mainstream-whatever-Leuten aus den „wichtigen“ Musikern raus, und das ist auch richtig so nach meinem Empfinden) Jazzmusiker, der ab den 50ern oder 60ern sozialisiert wurde, schlicht und einfach mit dazu. Nach den grossartigen Bands von Miles (second quintet), Coltrane (das klassische Quartett) oder Mingus (diverse Gruppen ab ca. 1960) und erst recht den ersten Wellen der Avantgarde (Ornette, Cecil Taylor, Shepp, später das Art Ensemble of Chicago etc. etc.) geht es gar nicht mehr, NICHT voraussetzungslos musizieren zu können.
Damit will ich durchaus den Hokus-Pokus, den Jarrett um seine Solo-Rezitale macht (auch im Sinne von redbeans‘ obigem Einwand: wer soviel drüber redet, der…), ein wenig entzaubern. Was ich damit aber wirklich nicht machen will, ist, die Grossartigkeit einiger diese Konzerte (Bremen/Lausanne bleiben wohl für mich die besten) in Abrede stellen! Sondern einfach Jarrett vom Kopf auf die Füsse stellen, bzw. ihn auf den Erdboden zurückholen… er hat ja eigentlich immer wieder starke Roots-Elemente in seinem Spiel und auch die – manchmal verschmelzen sie mit den Vamps – sind, wie auch die ziselierte Kitschklassik à la Debussy – blame Bill Evans – eine der verschiedenen devices, mit denen Jarrett seinen Solo-Konzerten Struktur gibt und selber – dem Genius des Augenblickes zum Trotz – auch Halt finden kann und sich damit eben auch nach Bedarf ein Sicherheitsnetz aufspannen kann, oder auch einen Notfallschirm.

Ich hab mir übrigens heute Vinyl vom Köln Concert gekauft, nachdem ich die CD immer noch nicht finden konnte… und Vinyl von „Hymns/Spheres“ nahm ich auch gleich noch mit – ich weiss, die finden viel superöde, aber ich versuch’s mal…

Was ist mit „Concerts“, der 3LP-Box, lohnt die sich? Auf CD gibt’s davon ja nur das Münchner Konzert, aber ich hab irgendwo gelesen, dasjenige aus Bregenz sei besser?

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