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Wie hält ihr’s denn mit dem jungen Keith Jarrett?
Mit dem Charles Lloyd Quartet bin ich bisher erst lauwarm geworden und das wird sich wohl nicht gross ändern… Coltrane-Jazz für Hippies, zu einer schönen, zugegeben mittreissenden Sosse eingekocht, runtergekocht.
Jetzt hab ich grad mal wieder Life Between the Exit Signs am Laufen. Klar, das ist schon eindrücklich, was Jarrett da spielt – aber insgesamt lässt es mich doch… nicht grad kalt, sagen wir: kühl. Einiges ist gut gelungen, an anderen Orten klingt er massiv nach Bill Evans (mit etwas warmerem Ton), sein Spiel im Titelstück erinnert vage an Cecil Taylor… Paul Bley dürfte ein anderer wichtiger Einfluss gewesen sein. Am besten gefälllt mir hier Charlie Haden, der mich immer wieder aufhorchen lässt. Auch Motian macht seinen Job mehr als gut. Wenn ich solchen offenen Trio-Jazz aus den späten 60ern hören möchte, werde ich aber auch in Zukunft eher zu Bley oder zum frühen Chick Corea greifen, dessen „The Song of Singing“ und „Now He Sings, Now He Sobs“ (beide 1970) mir beide ein ganzes Stück besser gefallen als Jarretts Debut von 1967. Aber da sind ja eben auch ein paar Jahre verstrichen dazwischen… Corea gibt’s 1966 im Quintett („Tones for Joan’s Bones“) und 1969 in den spannenden „Is“-Sessions (Solid State/Blue Note).
„Somewhere Before“ werd ich mir in den nächsten Wochen bestellen (mit weiterem von Jarrett – s.u.), von den 1971er Atlantics hab ich bisher nur „Mourning of a Star“ und „Birth“, ich brauche wohl „El Juicio“ auch noch,ja? Die drei stammen ja von denselben Sessions.
Ich habe bisher von Jarrett:
– Life Between the Exit Signs
– The Mourning of a Star
– Birth
– Expectations
– Solo Concerts (Bremen / Lausanne)
– The Impulse Years, 1973-1974
– Mysteries – The Impulse Years 1975-1976
– Eyes of the Heart
– My Song
– Personal Mountains
– Setting Standards – The New York Sessions
– Standards Live
– Standards in Norway
– Tribute
– The Cure
– Bye Bye Blackbird
– Keith Jarrett at the Blue Note – The Complete Recordings
– Tokyo ’96
– The Melody at Night… with You
– Whisper Not
– Inside Out
– Radiance
– La Scala
Was sind die grössten Lücken? Ich dachte, folgendes in dern nächsten Zeit mal zu suchen:
– Somewhere Before
– El Juicio
– Facing You
– Survivor’s Suite
– Belonging
– Changeless
– At the Deer Head Inn
– Still Life
– Always Let Me Go
– The Out-of-Towners
Fehlt da was essentielles? Das Solo-Konzert aus Paris hab ich noch irgendwo, aber es gefällt mir nicht so gut, La Scala auch nicht – ist aber bei beiden lange her… bei den Solos bin ich eh sehr unsicher, mit „Radiance“ konnte ich auch nur bedingt was anfangen, daher steht „Testament“ vorläufig nicht auf der Einkaufsliste.
Und um grad fortzufahren…
Das Album, das Keith Jarrett im Sommer 1970 mit Gary Burton eingespielt hat, gefällt mir immer besser. Erstmals aufgefallen ist es mir als ich am Gymnasium war, mein Real Book ganz neu hatte, und darin alle Stücke des Albums zu finden waren… in der Bibliothek der Schule gab’s tatsächlich die CD (die alte, nur mit dem Album, nicht den Rhino-Twofer oben, der auch noch Burtons wohl noch tolleres „Throb“ enthält). Die Musik gefiel mir damals nicht sehr… ich rümpfte gerne mal die Nase über Jazz mit elektrischen Instrumenten, und wenn die dann auch noch an der Oberfläche dermassen geschliffen klang, war mein Urteil recht schnell klar: besser als mittelprächtig konnte sowas gar nicht sein. Mittlerweile gefällt mir das Album sehr, Burton und Jarrett spielen hervorragend zusammen, Sam Brown hat einen kleinen, komprimierten Sound (ich glaub er benutzte üblicherweise ganz kleine Amps – steht nich sowas in den Liners der „Expectations“ Doppel-CD?), Swallow ist eh der allergrösste Bass-Gitarrist aller Zeiten – und wie wir es heute alle längst gewohnt sind, ist sein Spiel auch hier schon eine dauernde melodische Präsenz, sind seine Basslinien in fast noch stärkerem Masse, als sie Begleitung sind, Gegenstimme und Kontrapunkt… und Bill Goodwin an den Drums begleitet leicht und fein.
Jarrett hat abgesehen von Swallows „Como en Vietnam“ alle Stücke des Albums geschrieben. „Como…“, „Fortune Smiles“, „Grow Your Own“, „The Raven Speaks“ und „In Your Quiet Place“ (das als Medley mit „Moonchild“ gespielt wird), sie alle sind heute wohlvertraut und zu Klassikern geworden.
Auf „Como en Vietnam“ und „The Raven Speaks“ ist Jarrett auch am Sopransax zu hören – er griff auch in den 1971er Atlantic- und den 1972er Columbia-Sessions zum Sopran, hie und da spielte er auch Blockflöte, Steel Drums oder Congas (und wir wissen es alle, er war auch früh schon ein begnadeter Sänger…). Das Sopransax beherrscht er knapp gut genug, damit’s nicht peinlich ist… er setzt es jedenfalls gut ein, braucht es als Mittel, um die Musik emotionaler, rauher zu gestalten (gerade im Solo, das am Ende des Albums steht und ausgeblendet wird).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba