Re: Keith Jarrett

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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m.c.Vorraussetzungslose Solokonzerte? Mr. Jarrett & ich sehen das etwas anders. Die Vorraussetzung ist wohl das eins sein mit seinem Instrument.

Naja, es ist mir schon klar, dass es mindestens KJ und ein Klavier braucht, damit KJ Klavier spielen kann. Mit voraussetzungslos meinte ich eher: der Verzicht auf jegliches komponiertes Material, dass Erfinden der Musik aus dem Nichts. Zumindest im Idealfall.

m.c.Er ist ein Ausnhame Künstler / Könner. Ein ganz besonderer Mensch.

Keith Jarrett, der Übermensch? Steht die Heiligsprechung unmittelbar bevor? Habe ich was verpasst?

icculus66
„… „Ich galt ja“, sagte er rückblickend 1989, „seit meinen Solokonzerten als eine Art Großgrundbesitzer an eigener Musik, einer, der auf die Bühne steigt und jedes mal wie auf Bestellung etwas Neues erfindet. Ich realisierte also, dass die Leute es für selbstverständlich erachteten, dass einer seine eigene Musik spielt. Nun wollte ich demonstrieren, dass Musik aus Musik entsteht, aus Ideen, aus Material, das man nicht besitzen muss.“ Darum überlegte er sich die Hinwendung zur „Musik Anderer“. Das meinte zum einen den Rückgriff auf scheinbar vertraute Positionen innerhalb des Jazz, scheinbar „alte“ stilistische Positionen (wie den BeBop) und auf Vorlagen, die lange, wie andererseits der Blues, die lingua franca des Jazz ausmachten.

Na also, das ist doch eine Aussage. Sehr gut nachvollziehbar, finde ich. Den Begriff lingua franca für die Standards (den Blues, den Bop …) zu verwenden, finde ich ja sehr schön! Ich hätte es natürlich nicht so schön ausdrücken können, aber das Trioformat, die Standards (der Blues …) scheinen für sein Trio tatsächlich ein Gravitationszentrum darzustellen.

Wenn ich sage, einerseits das Standard-Trio und andererseits die Solokonzerte, meine ich keineswegs, dass sich dies widersprechen muss. Gerade Gegensätze ergänzen sich oft sehr gut oder bedingen sich sogar gegenseitig. Man kann sich ja auch zwischen entgegengesetzten Polen einer und der gleichen Sache bewegen, mal mehr zum einen, mal mehr zum anderen Pol hingezogen. Es wäre eher ein Problem, wenn einer der beiden Pole ausfällt: Dann bleibt man entweder bewegungsunfähig auf dem anderen Pol kleben oder entweicht schwerelos in den unendlichen Weiten des Weltraumes. So ähnlich meine ich KJ hier auch zu verstehen.

Friedrich.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)