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tugboat captainIch will Dir nicht zu nahe treten, Amadeus, aber kann es sein, dass Songwriter, die ein ähnliches Klang- uns Selbstbild wie Yorkston vorgeben, eher selten von Dir gehört werden? Mich würde interessieren, was Dich genau an der Musik von „When The Haar Rolls In“ stört bzw. nicht zusagt? Ist es die Simplizität der Akkordfolgen, der monotone Minimalimus (im Sinne von ständiger Wiederholung), aus der letztlich die tief blickende Introspektion, die ich so sehr schätze, erwächst? Ist es fehlende klangtechnische Brillianz? Vermisst Du Umschwünge in Melodie und Rhythmus bzw. fehlt Dir der entscheidende Fokus darauf? Stört Dich die Einfachheit der Dinge, die dann dann höchste Konzentration abverlangt? Andere Gründe?
Ich habe einfach versucht, meinen Gefallen an „When The Haar Rolls In“ umzudrehen. Es würde mich nicht wundern, wenn einer dieser Gründe zuträfe, glaube ich doch, dass es einen großen Graben zwischen den Vorlieren für verschiedene Songwriterkulturen gibt. Dass beiden Seiten das Verständnis für die jeweils andere fehlt, ergibt sich quasi von selbst. So unterscheiden sich Luka Bloom und Yorkston schon grundlegend.
Angeregt durch die Diskussion habe ich mir das Album gestern und heute nochmal angehört und siehe da: ich bin dabei, Zugang zu finden! Der geht zunächst über „Queen of Spain“, einem wunderbaren Folksong ganz nach meinem Geschmack. Schöne Melodie, gute Phrasierung und sehr angenehme Instrumentierung. Dieser Song ist vergleichsweise konventionell und das war wohl notwendig, um mich nicht komplett zu verlieren.
Das folgende „Midnight Feast“ (der Einstieg erinnert mich an Nick Drake) mit seinem imposanten Chor gefällt mir mittlerweile ebenfalls recht gut. Weiterhin schwer tue ich mich mit den sehr langen Textpassagen (zum Glück holt er ab und zu Luft). Gefühlte 1000 Worte bei einem Song von knapp über 4 Minuten (Temptation) sind schon heftig. Der Titelsong drohte nahtlos daran anzuknüpfen, bekommt aber mit sehr schönen Instrumentaleinlagen doch noch die Kurve. Wie aus dem Nichts entwickelt sich noch Unerwartetes.
Klangtechnische Brillanz ist für mich kein Kriterium, Minimalismus kann schön sein. Schwer tue ich mich hingegen, wenn Yorkston mit dem Erzählen loslegt und keine Melodie zu erkennen ist, zumindest keine die hängen bleibt. Dass dies gleich schon beim Opener der Fall ist, erschwert den Zugang zum Album deutlich. „Tortoise Regrets Hare“ ist von der Songstruktur her bereits zugänglicher und ich sehe es bereits im Plus. Schön, dass er bisweilen nicht singt und einen wunderbaren Ausklang mit den letzten Minuten ermöglicht. Dabei habe ich absolut kein Problem mit seiner Stimme, er sollte sich (für meinen Geschmack) nur etwas mehr begrenzen.
Gestern dachte ich noch an **1/2, heute bin ich schon bei ***1/2. Sterne sollte man eben nie zu früh ziehen. Ob das Album weiter wachsen kann, weiß ich nicht. Den einen oder anderen Song werde ich mir jedoch gerne wieder anhören.
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