Re: Die Intention von Jazz in der elektronischen Musik

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Wird höchste Zeit, dass hier wieder ein bisschen Luft eingeblasen wird.

Ich versuche mich mal an einer spontanen Beschreibung von NOCTURNES, FALSE DAWNS & BREAKDOWNS von Andrew Pekler. Das ist allerdings nicht leicht, denn NFDB umschifft sämtliche üblichen Klischees gängiger Electronica und entzieht sich damit auch weitgehend den gängigen Begriffen der Beschreibung. Ich habe bis heute nicht verstanden, was Andrew Pekler da überhaupt macht. Klingt irgendwie wie IN A SILENT WAY von Miles Davis, ganz frühe Weather Report oder die frühen elektrischen Versuche von Herbie Hancock, ist von der Stimmung aber auch wie Cool Jazz, will meinen: ASENCEUR POUR L’ECHAFFAUD oder Gil Evans, also durchaus weich, harmonisch raffiniert und klanglich geschicht. Dennoch haben wir es mit elektronischer Musik zu tun. Und das hören wir auch. AP scheint all dies genommen, es elektronisch prozessiert und anders wieder zusammengesetzt zu haben. Das klingt pulsierend, auf kleiner Flamme brodelnd, fragmentiert und doch gleitend, die Musik erscheint wie geknetet und modelliert. Man hört den Klang eines Kontrabasses, eines E-Pianos, eines Saxophons, eines Drumsets. Keine Ahnung, ob AP das gesamplet oder selbst gespielt hat. Er zerlegt das alles in seine Bestandteile, und fügt diese anders wieder zusammen.

Ich weiß, das NFDB Elektronische Musik ist. Das Großartige ist aber, das NFDB die Genregrenzen ignoriert und mittels der Elektronik in andere Bereiche vorstößt. Ich beschrieb es schon im vorigen Post: Keine repetetiven Beats, keine wiedererkennbaren Samples. Stattdessen organisch klingende Sounds und Strukturen. „Fuzzy Logic“ wäre noch untertrieben. Es geht hier nicht nur um die digitalen „0 oder 1″. Es geht hier nicht einmal um “ Null komma Fünf“ oder “ Sieben drei Viertel“, es geht um eine Art von Unbestimmbarkeit und ständiger Veränderung die wir aus dem Jazz kennen (damit sind wir wieder beim Thema!), aber mit Mitteln der Elektronik, wodurch eine ganz neue Qualität erreicht wird.

Klingt in diesen Worten zunächst einmal alles recht analytisch, und es klingt auch so, als sei NFDB ein intellektuelles Konstrukt. Aber das ist es eben nicht nur. NFDB ist wirklich schön, geheimnisvoll, auch verträumt, ziemlich unheimlich, hält sich – dem Titel entsprechend – in den atmosphärischen Zwischenbereichen von hell und dunkel auf, bleibt uneindeutig und sinnlich und wird dadurch faszinierend.

Bester Gruß,

F.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)