Re: Die Intention von Jazz in der elektronischen Musik

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Flint HollowaySo. Um was gehts hier und warum der sperrige Titel?

Erst mal um die Sache besser umreisen zu können worum es mir nicht geht. Langweilge Soundclashes aus belanglosen Downbeattracks mit klischeehaftem Geklimper und einfallslosen Soli wie sie in Massen auf Compilations verbraten werden, welche dann Titel wie „City Lounge“, „Science-Fiction Jazz“ oder „Chill Out Café“ tragen, und schon allein durch seelenlose Bars an expornierten Stellen in den Zentren unserer Großstädte, die ihren Gästen ein Gefühl des Anspruchs vermitteln wollen ohne sie dabei wirklich zu stören, einen reissenden Absatz erfahren.

Um was soll es dann gehen? Elektronische Musik die mehr bietet als eine plakativen Anstrich von Jazz, sondern deren Kern mehr oder minder im Jazz verwurzelt ist ohne zwangsläufig eine „jazzige“ Soundästhetik übernehmen zu müssen.

Jetzt wo ich es wahrscheinlich geschafft habe, dass keiner mehr weiss worauf ich eigentlich hinaus will fang ich einfach mal an mit:

Photek – Modus Operandi (1997)

Insgesamt ein sehr reduziertes aber wahnsinnig atmosphärisch und einnehmendes Album, welches sich über die Jahre langsam aber sicher in meine Alben Top Ten geschlichen hat. Geduld lohnt sich hier.

Bravo!

Sehr schön geschrieben und die feine Beschreibung der einzelnen Tracks verstehe ich als Einladung zu einem außergewöhnlichen Hörerlebnis. Die Ausschnitte, die ich über den Link höre, versetzen mich schon mal in freudige Erwartung.

Du hast Recht: Es ist der flexible Umgang mit den Samples, Loops und den Drumpatterns, der diese Musik in jazzige Bewegung versetzt und sie geschmeidig und spontan erscheinen lässt. Dieses Stück mit den gesampelten/geloopten Drumsoli und der Bassbegleitung ist klasse. Das klingt tatsächlich fast wie eine live Duo-Performance. Insgesamt umschifft Photek das Klischee der vorprogrammierten, monotonen Schnellfeuerbeats im DnB sehr geschickt. Genau die Sequenzerklischees und Drumloops, die man erwartet, gibt eben gerade nicht. Bei Photek bewegt sich das dauernd und bleibt unkalkulierbar. Es gibt in seinen Drums immer wieder diese Akzentverschiebungen, Betonungen und Verzögerungen, die Spannung erzeugen und dem ganzen Leben einhauchen. Die Sensiblilität für den Klang des Fender Rhodes (oder so) und vor allem des akustischen Basses, der ja auch ganz prominent vorgestellt wird, ist auch schön. Wo nimmt man den Klang des Basses sonst noch so deutlich wahr, wie in diesem eigentlich ja eher ungewöhnlichem Kontext der elektronischen Musik?

Die Möglichkeiten der Elektronik scheinen mir hier wie ein Durchlauferhitzer für die Jazzelemente zu funktionieren, oder umgekehrt, die jazzige Herangehensweise haucht der „kalten“ Elektronik Leben ein. So etwas wie eine Honigpumpe in der Welt der digitalen Musik. Wunderbar!

Das fällt mir mit natürlich wieder mal sofort Squarepusher ein, der dreht die Elektronik mit Hilfe von Jazz auf links. Außerdem NOCTURNES, FALSE DAWNS & BREAKDOWNS von Andrew Pekler, auch wenn das jeweils noch mal andere Herangehensweisen sind. Und Das Chicago Underground Quartet / Trio / Duo, wenngleich die aus einer anderen Richtung zu kommen scheinen.

Friedrich.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)