Re: Mario Bava

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napoleon-dynamite
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lathoWas muss man von ihm gesehen haben?

Vieles. Im Einzelnen:

I Vampiri (1957) * * * *
Italiens erster Horrorfilm, ursprünglich von Riccardo Freda begonnen, größtenteils von Bava ohne Credits gedreht. Viel Gothik, somnambule Atmosphäre, im Kern eher ein klassischer Kriminalplot. Bava hat Val Lewton Produktionen verstanden. Sehr schön.

La Maschera Del Demonio (1959) * * * *
Bavas eigene Ästhetik auf einer Stecknadel: Erotisierend üppige Kameraarbeit als Atmosphäre schaffender und Plot ersetzender Angelpunkt sinnlich strukturierter Film geringen Budgets. Prowling camera movements & stylish art direction. Hier noch in extremen, fast expressionistischen Schwarz-Weiß Kontrasten als Verbeugung vor Tourneurs genialem „Curse Of The Demon“. Barbara Steeles Karriere beginnt mit Brandmalen und einer dornigen Eisenmaske. Geil.

Ercole Al Centro Della Terra (1961) * * * * 1/2
Erstes Meisterwerk. Widescreen Exzesse in einer detaillversessen konstruierten Phantasiewelt aus Pappmaché, irgendwo zwischen Cecil B. DeMille und Walt Disney. Bava durfte alles bündeln, was er als Ausstatter und DP in der Sandaletten dominierten Filmmaschinerie Italiens hier und da erprobt hatte. Kunstvoll.

Gli Invasori (1961) * * * 1/2
Cameron Mitchell gegen Seeflotten aus Buitoni Nudeln. Spaßig.

La Ragazza Che Sapeva Troppo (1962) * * *
The girl who knew too much, get it? Wohl so etwas wie die Geburtstunde des Giallo, erbühlt aus dem Nährboden von Alfred Hitchcocks Thrillern, dessen erregend perverse Liebe zu fetischisierten Tötungssequenzen und visueller Perfektion neben Bava etwas später auch Argento, Dallamano et al inspirierte. Leider ist „Ragazza“ wie der belehnte Mann, der zuviel wußte, übervoll mit Humor und Familienfreundlichkeit bepackt. Zwiespältig.

I Tre Volti Della Paura (1963) * * * 1/2
Das Bava Gesamtpaket in Episoden, die zwischen Psycho-Thriller und Gothic Horror springen. Eher eine stilistische Übung in Kamerabewegung, Beleuchtung und Bildeinstellungen. Die abschließende, dritte Folge ist toll. Theoretisch.

La Frusta E Il Corpo (1963) * * * *
Yeah, die sadistische Zuspitzung gothischen Horrors, obsessiv kreisend um die zerstörerische Beziehung zwischen Christopher Lee (der dies für seinen besten Film hielt) und Daliah Lavi (die Barbara Steele nicht adäquat ersetzen konnte). Eine Geschichte, die fast ausschließlich durch Kamerazooms dunkle Sexiness erzeugt. Am besten im Doppelpack mit Mario Caianos „Gli Amanti D’Oltretomba“ geniessen. Düster.

Sei Donne Per L’Assassino (1964) * * * * *
Zweites Meisterwerk. Eine luxuriös arrangierte Oper exzessiv zelebrierter Tötungsakte, ein Geniestück delirierender Farborgien. Cameron Mitchell mordet sich durch sein Reich der Sinne, eine von Mannequins bewohnte Arbeitsstätte. Prêt-à-Porter.

La Strada Per Fort Alamo (1965) * * 1/2
Bava hielt nicht viel von Western, also halte ich auch nicht viel von Bavas Western. Lieblos.

Terrore Nello Spazio (1965) * * * *
Der Film, der Ridley Scotts „Alien“ maßgeblich inspirierte, ist eigentlich nur ein charmant-verschrobenes Sci-Fi-Stück mit minimalem Budget und Barry Sullivan im Raumanzug aus Latex. That’s fine with me. Herzerwärmend.

Operazione Paura (1966) * * * *
Der Film, der noch maßgeblicher Tim Burtons „Sleepy Hollow“ inspirierte, ist eigentlich nur Bavas perfekt auf den Punkt inszinierte Essenz schaurig-romantischen Grusels Poe’schen Verschnitts. Die Darsteller sind etwas hölzern, but that’s fine with me also. Gemütlich.

Le Spie Vengono Dal Semi-Freddo (1966) * *
Vincent Price weiß schon, warum er diesen Film als den schwächsten seiner Karriere bezeichnet. Dämlich.

I Coltelli Del Vendicatore (1966) * * *
Noch mehr Wikingerspaß mit Cameron Mitchell. Verzichtbar.

Diabolik
(1967) * * * * 1/2
Huh, von allen filmischen Bemühungen, Pop und Kunst zu sein, ist mir das hier die bei weitem liebste. Von den Produzenten wohl als so etwas wie die italienische Mixtur aus James Bond und Fantomas geplant, kreiert Bava futuristische Designs für eine überstilisierte, knatschbunte Parallelwelt. Wie das aussieht? Als müßte 007 eine Mission in Barbarellas Reich erfüllen. Mit Marissa Mell, einer der schönsten Frauen des italienischen Genrefilmes. Fab.

Il Rosso Segno Della Follia (1968) * * * *
Bavas erneuter Giallo Vorstoß entbehrt den Humor seines ersten, und die Kunstfertigkeit seines zweiten Versuches. Darüberhinaus die Spielfreude seines vierten, die Gewaltätigkeit seines fünften und den nackten Horror seines sechsten. Dafür bietet es den intensiven Blick in die Gedanken eines gestörten Mörders. Komplex.

Roy Colt E Winchester Jack (1969) * * 1/2
Eh, noch ein Western. Redundant.

Quante Volte…Quella Notte (1970) * * * *
Ein heimlicher Lieblingsfilm, über den ich nicht allzu viel verraten will. Nur: Bavas Beitrag zum Sexfilm Genre ist eine Hommage an Kurosawas „Rashomon“. Eigen.

Cinque Bambole Per La Luna D’Agosto (1970) * * * *
Fünf Puppen für den Augustmond…and then there were none. Agatha Christie Fans werden eher wenig Gefallen haben an der erheblich exploitativeren Umsetzung des Ten little Indians Prinzips. Ich erfreue mich an Bavas ausgelassenstem Giallo. Mit Edwige Fenech, der schönsten Frau des italienischen Genrefilmes. Heiter.

Ecologia Dell Delitto (1971) * * * * 1/2
Ökologie des Verbrechen, wie der Film sarkastisch im Original betitelt ist, wurde debil in Deutschland als „Im Blutrausch des Satans“ vertrieben und prompt mit einem noch heute gültigen Verbot behangen. Nihilistischer Gore, der zusammen mit Wes Cravens „The Last House On The Left“ das intellektuelle Fundament für den US Slasher Horror der 70’s lieferte. Ein Genre allerdings, dem es sowohl an der rohen Unmittelbarkeit als auch der inszenatorischen Tiefe beider Vorbilder mangelte, etwas, das profitabel durch stupide Drastik ausgeglichen wurde. Nicht so „Ecologia“, der ist: Kompromißlos.

Gli Orrori Del Castello Di Norimberga (1972) * * *
Da muß eher 15Jugglers, der den Film erheblich höher einschätzt als ich, einspringen. Meiner Meinung nach ist dies Bavas einzig enttäuschende Arbeit als Horrorregisseur, ein altbackenes Gruselbonbon, so niedlich wie unerheblich trashy. Bonuspunkt dafür, daß ich Elke Sommer scharf finde. Durchwachsen.

Lisa E Il Diavolo (1972) * * * * *
Wenn ein Film jemals der Logik und der Eigentümlichkeit von Träumen nahe gekommen ist, dann „Lisa E Il Diavolo“, ein farbenprächtiger Bilderbogen sexueller Obsessionen und imaginierter Bilder. Später vom Produzenten umgeschniten zu einem profitableren „The Exorcist“ Rip-Off, in dem Elke Sommer in (nicht von Bava) nachgedrehten Sequenzen ausführlich Rotz und Kotze spucken darf. Nur das Original zählt. Nicht exorzierend. Erotisierend.

Cani Arrabbiati (1974) * * * * *
Mein liebster Film von Bava ist sein untypischster. Eine düster-minimalistische Gewalttat über eine Geiselnahme. Die abstoßend sonnendurchflutete Landschaft als desperates Seelenbildnis, die Insassen eines Autos als Psychogramm menschlicher Abgründe und Ängste. Unvergesslich.

Schock – Transfert Suspence Hypnos (1977) * * * * *
Sein zweitbester Film, und bis dato das unheimlichste Stück Zelluloid, das ich gesehen habe. Als hysterisch übersteigerte Variation von Robert Wises „The Haunting“ wird jedes filmische Element, jeder Ton, jeder Schnitt und jede Kamerabewegung zu einem massiven Schockelement arrangiert, ohne jemals explizit zu werden. Worum es geht? Nekrophilie, Inzest, Schuldverdrängung. Mit Asia Argentos wunderschöner Mutter Daria Nicolodi in der Hauptrolle. Furchteinflößend.

La Venere D’Ille (1979) * * * 1/2
Na, eigentlich ist dies nur ein einstündiger Beitrag zu einer Fernsehserie, die Bava gemeinsam mit seinem Sohn drehte. Eine verhalten routiniert dargebrachte Literaturverfilmung, die durch die Anwesenheit von Daria Nicolodi punktet. Aber ich will mal wenigstens damit angeben dürfen, daß ich dieses verflucht seltene Stückchen gesehen habe. Deswegen als Verdikt: Rar.

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