Re: Meine Klassiker

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scorechaser

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„The Marathon Man“ (John Schlesinger, 1976)

1976 inszenierte der britische Regisseur John Schlesinger mit „Marathon Man“ einen der besten Beiträge zum Thema Politthriller. In dem ungemein spannenden Film spielt Dustin Hoffman die Hauptrolle des jungen Geschichtsstudenten Thomas „Babe“ Levy, der durch seinen älteren Bruder in die Machenschaften von Alt-Nazis und CIA gezogen wird. Roy Scheider, der ein Jahr zuvor in Steven Spielberg´s „Jaws“ die Hauptrolle spielte, überzeugt in der Rolle des älteren Bruder als toughen Geheimdienstagenten, der auf der Jagd nach dem Altnazi Dr. Christian Szell, auch genannt „Der weiße Engel“ ist. Szell wird überragend dargestellt von Laurence Olivier.

Babe ist leidenschaftlicher, fast schon manischer Marathonläufer, der einsam in den Straßen von New York seine Runden zieht. Babe lebt ganz in seiner eigenen Welt. Sein Vater war ein übermächtiger, berühmter Mann, dem Babe es nie recht machen konnte. Der Vater wurde von McCarthy´s Kommunistenjägern verfolgt. Er hielt diese Situation nicht aus, und beging Selbstmord. Auch sein größerer Bruder Thomas übernimmt nach dem Tod des Vaters dessen Rolle. Doch als Thomas eines Abends bei Babe in der kleinen Wohnung blutüberströmt ankommt und später stirbt, wird Babe in eine tödliche Geschichte gezogen, in der er bald lernen muss, das er keinem mehr trauen darf. Nicht mal seiner Freundin Elsa, die er gerade erst kennen gelernt hat.

In dem Film gibt es so viele herausragende Einzelszenen, wie zb als Babe sich in seinem Badezimmer versteckt, oder er nachts durch das dunkle und verlassene Manhattan hetzt, verfolgt von seinen skruppellosen Gegnern, die keine Gnade kennen. Kameramann Conrad L. Hall, der auch zb „American Beauty“ und „Road to Perdition“ meisterhaft beleuchtet hat, zeigt New York im November als kalten und trostlosen, sowie anonymen Ort. Als Thomas stirbt, scheint Bebe´s letzter Halt in seinem Leben verloren. Als sich Babe mit dem eiskalten Dr. Szell anlegt, wird er zum ersten Mal in seinem Leben gefordert.

John Schlesinger gelang ein überaus spannender und kalter Thriller, den man nicht so schnell vergisst. Mit der kalten und spärlichen Musik von Michael Small ist dieser Film einer der besten und spannendsten der 70ger Jahre und hat auch heute nichts von seiner Kraft und Spannung verloren.

„The Age of Innocence“ (Martin Scorsese, 1993)

Während der Dreharbeiten zu seinem Boxerfilm „Raging Bull“ erhielt Martin Scorsese von seinem Freund Jay Cocks den Roman „The Age of Innocence“ von Edith Wharton zu lesen. Cocks meinte, falls Scorsese jemals einen romantischen Film drehen wollte, wäre dieser Stoff genau der richtige. Doch es vergingen 7 weitere Jahre ehe Scorsese überhaupt dazu kam, das Buch zu lesen. Es fesselte ihn von der ersten Seite.Betrachtet man Scorsese´s Werk, so fällt sein 1993 entstandener Film „The Age of Innocence“ heraus. Edith Wharton, die selbst aus einem reichen Elternhaus kam, schildert in ihrem 1920 erschienen Roman die Upper Class des Manhattan der 1870ger Jahre. Für das Werk erhielt die Autorin 1921 den Pulitzer Preis.

Der aus gutem Hause stammende Anwalt Newland Archer steht vor der Verlobung mit seiner Cousine May Welland. Doch als sich die Cousine May´s Ellen Olenska aus Polen anmeldet, verliebt sich der sonst pragmatische Newland Hals über Kopf in sie. Doch die Konventionen der Zeit lässt eine Verbindung zwischen den beiden nicht zu. So lebt Newland mit May und verzweifelt an einer Vision seines Lebens, das er mit Ellen hätte haben können.

„The Age of Innocence“ ist Martin Scorsese´s untypischestes Werk, wie es scheint. Doch der Film, grandios fotografiert von dem deutschen Kameramann Michael Ballhaus ist viel näher an Scorsese´s Themen als man im ersten Augenblick denkt. Fliesst in dem Film kein Blut, ist er doch einer der gewalttätigsten Filme des Regisseurs. Den welcher Schmerz ist größer als der, der unerfüllten Liebe. Newland erkennt in Ellen seine wahre große Liebe, doch da sie erstens aus einem unteren Adeslkreis, und zweites frisch aus einer Scheidung kommt, darf diese Verbindung nicht sein. Daniel Day Lewis spielt Newland Archer mit einer scheinbaren Kühle. Doch wenn er mit Ellen zusammen ist, zeigt er sein wahres Gesicht. Das Drama um den Konflikt von Sehnsucht und Verantwortung in einer Welt voller starrer Konvention ist sicherlich Martin Scorsese´s reifstes Werk.

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"Film is a disease. And the only antidote to film is more film." - Frank Capra