Re: über das Bewerten und Besternen von Platten

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,711

MikkoEin seltener Fall, in dem ich mit Dick weitgehend einer Meinung bin. Dass ich grundsätzlich nicht besonders viel vom Besternen halte, habe ich anderswo schon häufiger kundgetan. Vor allem die pure Sternewerferei ohne vorhergehende oder nachfolgende öffentliche Auseinandersetzung mit der Platte (sprich: Review) ist mir suspekt. Ich kann da die Sterne doch nur ins Verhältnis zu meinem eigenen Wertekanon setzen, wenn ich den Besterner (schönes Wort übrigens, wäre was für den Wort/Unwort Thread) gut kenne.

Das sehe ich auch so, bzw. ähnlich wie andere hier. Sterne sind eine Zusammenfassung eines Reviews, helfen in Relation zu anderen Werken (gilt ja auch für Bücher, Filme etc.) und geben einen ersten Eindruck des Kritikers. Sind also wie eine Überschrift zu verstehen, auch wenn sie normalerweise am Ende stehen. Das hilft einordnen, ein schneller Überblick, verstehen kann ich eine Bewertung aber nur, wenn da auch ein Text steht.
Inwieweit die Sterne, aber auch die Bewertung „hält“, hängt ja von der Beschäftigung mit einer Platte ab. Vergebe ich Sterne / schreibe eine Kritik nach dem ersten Anhören ist es für mich klar, dass sich das noch ändern kann, also sollte man das vielleicht dazuschreiben. Je „älter“ die Platte, je häufiger gehört, desto „stabiler“ die Bewertung – in Sternen und in Worten.
Von daher ist natürlich massenhaftes Kaufen, Schnelldurchhören und Sterneabwurf im entsprechenden Thread Unsinn, weil die Bewertung ja auf recht wackeligen Füssen steht. Und letzten Endes auch Spass an der Musik nimmt – einer der Gründe, weswegen ich mich entschlossen habe, beim Musikhören (was Masse angeht) einen Gang herrauszunehmen.

Mikko
Aber davon abgesehen besterne ich natürlich trotzdem. Wenn auch längst nicht so eifrig und konsequent wie manch anderer hier (ich nenne keine Namen und Titel). Dabei tendiere ich wie foka zu hohen Wertungen, die sich später (nach Monaten oder manchmal auch erst nach Jahren) im Gesamtkontext meiner Plattensammlung heftigst relativieren. Ich habe sogar schon Platten, denen ich in der ersten Begeisterung vier Sterne verpasste, nach gut einem Jahr wieder verkauft, weil sie nicht mal mehr für drei taugen.
Was die Grenze nach unten betrifft, so besteht natürlich zwischen BAP und DJ Bobo ein Unterschied, der sich indes allenfalls noch in halben Sternen manifestiert. Und ob ich Modern Talking mit einem Stern bewerte oder REO Speedwagon, das ist zwar auch ein Unterschied, aber er ist mir ziemlich wurscht.
Das Beispiel Antony & The Johnson wäre bei mir vielleicht die letzte Portishead LP oder das Spätwerk Scott Walkers. Wobei ich auch die jetzt weder vergleichen noch auf eine Stufe stellen will. Mir fehlt einfach der Zugang und letztlich auch die Bereitschaft, ihn mir zu erarbeiten. Es gibt genug tolle Musik, die mir Freude bereitet und sich mir leichter erschließt. Warum also quälen. Ich bin kein Masochist.

Und selbst die lieben ja eher Peitschen als Platten… Wobei ich das Beschäftigen mit auf den ersten Eindruck hin „schweren“ Platten ja auch nicht als Arbeit sehen will – würde ich das, würde also das Anhören in Arbeit ausarten – ohne die Aussicht auf späteres Gefallen, würde ich das auch nicht tun, soviel Zeit dürfte hier keiner haben. Auf der anderen Seite habe ich mich schon mit Platten beschäftigt, die mir zunächst nicht lagen und dann wurde es langsam etwas. Das hat nichts mit „Schönhören“ zu tun, weil sich in meinen Augen schlechte Platten gar nicht schönhören lassen.
Was Third und Walker angeht: Third liegt hier noch herum, ich bin gespannt. Bei Walker hat mir otis dringend geraten, erst mit den Walker Brothers anzufangen und mich dann „vorzuhören“, also in chronologischer Reihenfolge vorzugehen, weil es sonst mit Walker ziemlich sicher in die Hose gehen würde (ein Rat, der Dir wahrscheinlich nichts bringt, weil ich annehme, dass Du bei den Walker Bros. sowieso beschlagen bist …).

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.