Re: Deutschsprachige Musik

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nail75

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otisad Kraus, Herold et.al.
Ich habe die Zeit zwar auch nur als Kind miterlebt, aber bin doch etwas näher dran als die meisten hier und kenne die Zeitzeugen entsprechend auch schon wesentlich länger.
Meine Vorstellung der 50s-Jugend: Es gab die hippe, coole, aufgeklärte Jugend (in kleinem Maße), die den damals modernsten Jazz hörte, sich von den Eltern absetzte etc. pp, die über Rock’n Roll die Nase rümpfte (Zeitzeugenaussagen, auch nachzulesen etwa bei Heidkamp)
Dann gab es die „aufmüpfige“ Halbstarken-Szene (eine erste Jugendszene hier bei uns), die sich (wie immer und zu allen Zeiten bei Pubertierenden) Ventile suchte, ihrer Frustrationen etc. zu entledigen. Diese „Szene“ war (im Vergleich zu den 60s) damals sehr klein, diese Jungs und Mädels flogen auf den Rock ’n Roll. Zur Not tat es bei diesen dann auch der Verschnitt Kraus oder Herold. Mein Eindruck aus Erzählungen von Zeitzeugen aber ist, dass die Kraus/Herold eher von denen gemocht und gehört wurden, die zwar schon ein wenig Aufbegehr in sich spürten, aber letztendlich doch die Braven waren und blieben. Mag aber sein, dass durch Kraus/Herold schließlich und endlich die Gesellschaft nach und nach und mehr und mehr an die „bösen“ Originale herangeführt wurde, dass die Akzeptanz stieg. Und so auch bei uns die Zeit reif wurde für den großen Umbruch in den 60s.
Wer diese Musikfilme mit Kraus etc. kennt, weiß, dass die Musik und der Aufmupf in das klassische Heile-Welt-Bild der 50s eingepasst wurde. Jazz kam übrigens dort auch vor: Mit Louis Armstrong (!!!), der so den Alibi-Schwarzen abgab (Keine Angst vorm schwarzen Mann!).

Hier kommen wir meiner Ansicht nach ein entscheidendes Stück weiter. So wie es auch in England eine R’n’R-Bewegung unter den Jugendlichen gab, gab es sie eben auch in Deutschland. Das war Ausdruck einer Jugendkultur, wie sie vorher kaum oder nur in Ansätzen existierte. Das hat mit Qualität der Musik erst einmal wenig zu tun, sondern verweist auf identische oder ähnliche kulturelle Phänomene. Oft war das harmlos war, im Vergleich zu den 1960ern zumal, ist, aber es war doch neu und für die Zeitgenossen durchaus beunruhigend, zumal es eben auch Vorkommnisse gab, die nicht ganz so harmlos waren:
http://de.wikipedia.org/wiki/Halbstarke

Was Du über Kraus/Herold sagst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Diese Filme waren ja auch Kopien amerikanischer Vorbilder, aber selbstverständlich – Filme kosten ja sehr viel Geld! – harmlos und anständig genug, um keinen Anstoß zu erregen.

MikkoNail, ich bin sicher kein Fachmann für die 50er und klassischen Rock’n’roll, aber Bill Haley trat 1958 u.a. im Berliner Sportpalast auf. Bei dem Konzert gab es Randale und Schlägereien zwischen den so genannten Halbstarken in Lederjacken und der Polizei. Und Bill Haley ist ja nun wirklich nicht der Prototyp des harten Rockers gewesen. Du siehst, es gab bereits da einen Unterschied ums Ganze.

Ja, das sagte otis ja auch schon und ich denke, in dieser Hinsicht besteht Einigkeit. Der Unterschied war durchaus vorhanden, mir ging es nur um die Ähnlichkeit der Phänomene, ganz abgesehen davon, wie gut oder schlecht man jetzt Bill Haley, Cliff Richard oder Peter Kraus findet.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.