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kramerDas ist wirklich interessant (vor ein paar Tagen habe ich erst wieder darin gelesen) aber leider out of print…
Ich hatte es gekauft, nachdem es im RS 3/1996 einen großen Artikel dazu gab. Wer sich für das Thema interessiert, das Heft ist wahrscheinlich einfacher zu bekommen als das Buch, das Special hat immerhin 12 Seiten.
Daniel_BelsazarDann habe ich das offenkundig falsch gelesen. Was die Aussage selber, so sie denn so gemeint war, nicht wahrer macht. Denn natürlich macht es im kulturellen Einfluss einen Unterschied aus, ob ein Land besiegt, zerstört und besetzt ist oder zu den Siegermächten gehört.
Natürlich. Aber zum einen hat sich das Empfinden, einer besiegten Nation anzugehören, in der Bundesrepublik durch die politische und wirtschaftliche Entwicklung recht schnell relativiert. Die Deutschen haben sich nach 1945 auch nicht mehrheitlich der amerikanischen Kultur zugewendet, im Gegenteil, man war sehr argwöhnisch gegenüber dem, was aus den USA kam. Stattdessen blühte die einheimische Unterhaltungsindustrie und auch das Gefühl des Bildungsbürgertums, sich auf seine kanonisierte Goethe-Beethoven-Dürer-Nationalkultur verlassen zu können, war von den Erfahrungen der NS-Zeit kaum erschüttert.
motödu schreibst, daß deutschsprachige Musik den Markt in den 50er jahren dominierte. Das ist wohl richtig, aber ich meine doch, daß auch die deutschsprachige Musik dieser Zeit schon stark vom Rock’n’Roll beeinflußt war. Zwar oftmals in entschärfter Form, aber dennoch ist ein großer Teil der Musik dieser Zeit in der Form (Rhythmus etc.) deutlich von der deutschen Musik der Zeit bis 1945 zu unterscheiden (auch wenn natürlich mit dem Jazz schon früher amerikanische Einflüsse sich partiell bemerkbar machten). Liege ich damit völlig falsch?
Nur mal als Beispiel die 30 erfolgreichsten Hits des Jahres 1957. Man findet natürlich den einen und anderen US-Star, aber keinen Elvis, von Chuck Berry & Co. ganz zu schweigen. Natürlich findet man in deutschen Schlagern Einflüsse von Swing, Calypso usw. und eingedeutschte US-Songs, aber das passte alles ganz gut in das, was die deutsche Unterhaltungskultur dieser Zeit kennzeichnete – Heimat & Fernweh, das waren die Stichworte. Musik durfte ein bißchen exotisch sein, sollte aber immer auch vertraut klingen.
1 Cindy oh Cindy – Margot Eskens
2 Banana Boat Song – Harry Belafonte
3 Heimatlos – Freddy
4 Köhlerliesel – Heimatsänger
5 Weißer Holunder – Gitta Lind
6 Warum strahlen heut nacht die Sterne so hell – Wolfgang Sauer
7 Cindy oh Cindy – Wolfgang Sauer
8 Siebenmal in der Woche – Vico Torriani
9 Ich wär so gern bei dir – Club Italia
10 Dich werd ich nie vergessen – Caterina Valente
11 Whatever Will Be, Will Be (Que sera, sera) – Doris Day
12 Was kann schöner sein – Lys Assia
13 Sei zufrieden – Lukas-Trio
14 Ich weiß was dir fehlt – Peter Alexander
15 True Love – Bing Crosby & Grace Kelly
16 Zu Hause, zu Hause – Blaue Jungs
17 Das tu ich alles aus Liebe – Peter Alexander
18 Wer das vergißt – Freddy
19 Tipitipitipso – Caterina Valente
20 Ein bißchen mehr – Peter Alexander
21 O Billy Boy – Club Argentina
22 Ich hab dich so lieb – Hansen Quartett
23 So wie es früher war – Ponny-Boys
24 Singing The Blues – Guy Mitchell
25 Deine Liebe – Lys Assia
26 Peter, komm heut abend zum Hafen – Sunnies & Coronels
27 Island In The Sun – Harry Belafonte
28 Es läuten die Glocken am Königssee – Geschwister Fahrnberger
29 Sei zufrieden – Roland Trio
30 Solang die Sterne glühen – Friedel Hensch & Die Cypris
Rock’n’Roll wird man hier nur höchstens in geringsten Spurenelementen finden. „Rock Around The Clock“ war 1956 ein recht großer Erfolg, aber im Rahmen der Hitlisten eher eine „Novelty“-Nummer denn Ausdruck eines Trends. Elvis hatte seinen ersten wirklichen Hit in Deutschland bezeichnenderweise mit seiner O Sole Mio-Adaption „It’s Now Or Never“.
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