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nail75Wir stimmen auf jeden Fall darin überein, dass man viele der Künstler in dieser Liste nicht als Beispiele deutschsprachiger Musik heranführen kann. Dass Du für deutschsprachige Musik eintrittst, schämlert keineswegs meine Wertschätzung für Dich, auch wenn ich Deine Urteile manchmal nicht nachvollziehen kann.
Würde ich auch so sehen, da die genannten Künstler in unterschiedlicher Weise mit Deutschland eng verbunden sind.
Die Frage der Qualität würde ich bei der Definition des Begriffes „deutschsprachiger Musik“ außen vor lassen. Denn wie gesagt: Nur weil Willie Nelson eine deutschsprachige Single veröffentlich hat, macht er eben trotzdem keine deutschsprachige Musik. Das mag auf den ersten Blick absurd klingen, ist es aber nicht, denn die Gesangssprache ist eben dann unerheblich, wenn das nur ein marketingtechnisches Vorgehen ist, das im Gesamtwerk des Künstlern keinerlei Signifikanz aufweist. Abgesehen davon hat WN wie Marvin Gaye u.a. keine biographische Verbindung zu Deutschland und vor allem der deutschen Sprache.
Ich finde die erste Frage sagt viel über ein meiner Ansicht nach grundsätzliches Problem aus: Wieso ist das überhaupt ein Thema? Glaubst Du Franzosen würden darüber diskutieren, ob man wirklich französisch rappen sollte? In der Kulturgeschichte haben sich fremde Völker immer wieder fremde Kulturtechniken angeeignet. Manchmal war das reine Kopie, aber manchmal ergaben sich auch Transformationen zu etwas Neuem und zu neuen Formen, die dem Ursprungsland unbekannt waren. Das ist ein Geben und Nehmen, keine kulturelle Einbahnstraße.
1) Das ist eine rein deutsche Diskussion, hinter der – so vermute ich – ein problematisches Verhältnis zur deutschen Sprache und zur deutschen Nationalität steht. Leute, die sich damit schwertun, haben auch mit der bloßen Idee deutschsprachiger Popmusik arge Probleme. Diese Problematik schwingt auch immer bei der Beurteilung der Qualität mit, die dann sehr oft grundsätzlich negativ beurteilt wird oder gar mit Sätzen abgetan wird wie: „Ich kann mich ja nicht um alles kümmern“, obwohl es sich hier um die Muttersprache handelt und nicht um Kantonesisch.
2) Allerdings würde ich ebenfalls der deutschsprachigen Popmusik ein insgesamt niedrigeres Niveau als der angloamerikanischen zusprechen. Das liegt zum einen an der schieren Masse. Es gibt nun einmal mehr Amerikaner und Engländer als Deutsche. Allerdings hat es vor allem mit unterschiedlichen Musiktraditionen zu tun. Die Popmusik entstand in England und den USA und die dortigen Traditionen sind natürlich sehr stark, während Popmusik in Deutschland lange Zeit einen sehr schlechten Ruf hatte, insbesondere im konservativen Bildungsbürgertum. Die unselige Unterscheidung zwischen U und E-Musik (lies: wertvolle und wertlose Musik) trug ein übriges dazu bei, dass sich eine deutsche Popmusikkultur erst in jüngster Vergangenheit entwickelte.
Ein weiteres Problem ist – so vermute ich weiterhin – dass deutschsprachige Musik durch die Katastrophe, in die Deutschland durch ungezügelten Nationalismus geführt wurde, gerade unter der jungen Menschen in Deiner Generation so diskreditiert war, dass man für die amerikanischen Formen geradezu dankbar war. Auf diese Weise konnte man sich nämlich eine eigene Jugendkultur aufbauen, die dezidiert nicht-deutsch war und die alles deutschsprachige zurückwies. Daraufhin verkümmerten aber auch durchaus fruchtbare deutschsprachige Tendenzen, die Mista oben genannt hatte oder sie führten lange Jahre ein Schattendasein. Ausnahmen gab es natürlich, aber der Entwicklung deutschsprachiger Popmusik hat das sehr geschadet.
zu 1) genau dort sehe ich den Knackpunkt und da ist Musik ja nur ein Kriterium. Wenn ich in einem andren Thread einen Kommentar von Wolfgang zu einem Billy Bragg-Interview, das etwas „entgleist“ ist, sehe, bestätigt das den Eindruck nur.
zu 2) in der Breite würde ich euch da natürlich vollkommen zustimmen, natürlich habe auch ich viel mehr „internationale“ von mir geschätzte Alben (ja wirklich ), als deutsche, aber in der Spitze tummelt sich dann doch manch deutschsprachiges.
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"Man kann nicht verhindern, dass man verletzt wird, aber man kann mitbestimmen von wem. Was berührt, das bleibt!