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pinchNochmal zur Erinnerung: es ging mir weder darum, ob bei Nektar jemals ein Deutscher mitgespielt hat, noch darum, ob Can oder Tangerine Dream diverse Tatort Trailer vertont haben (CAN haben sogar einen ganzen Tatort musikalisch begleitet: Samuel Fullers „Tote Taube in der Beethovenstraße“. Rudimentäres Halbwissen macht sich bezahlt!), noch um irgendwelche kaufmännischen Belange vollkommen abstruser Klabusterkombos wie GROBSCHNITT bzw. faden Kalenderfiguren wie Eroc (dessen Schweif dereinst sogar Philipp Boa berührte!). Mir ward lediglich so, als ob Brian Eno ein ganz besonders vortreffliches Geschick in der Auswahl und in der offenkundigen Wertschätzung der von ihm bevorzugten Bands aus dem mehr oder weniger unübersichtlichen Krautrockstall jener Tage bewiesen und diese Präferenz schließlich wertvoll und glücksspendend weitergetragen hat. Allein die Menge der seither hier genannten Kapellen und Künstlern zeigt an, dass er nicht nur zwischen 2 Formationen zu wählen hatte. Und ich gratuliere ihm ferner eher zu seiner famosen Kollaboration mit CLUSTER, als zu seiner Entscheidung, mit Bono und U2 gemeinsam ins Studio spaziert zu sein um Schallplatten aufzunehmen.
Ich glaube, das liegt eher am Charakter der Musik. Eno kam ja als ursprünglicher musikalischer Dilettant von der Elektronik, insofern liegt es nahe, dass er sich an der elektronischen Schiene orientierte, für die hier in Deutschland damals der Nabel der Welt lag. Und dies betraf vor allem zwei Orte, nämlich Berlin und Düsseldorf. Berlin steht dabei eher für die ausschweifenden Trip-Exkursionen von Tangerine Dream oder Ashra Temple mit langgezogenen Tönen und Improvisationen, Düsseldorf für Minimalismus und repetitive, „maschinell-industrielle“ Strukturen wie sie natürlich überragend Kraftwerk repräsentieren. NEU! auf Düsseldorfer Seite bewegten sich mit den längeren Rother-Tönen auf die Berliner Ausrichtung zu, ebenso wie dies umgekehrt Cluster mit ihren kleinen elektronischen Kammerstückchen in Richtung Düsseldorf taten. Kein Wunder, dass die sich dann sehr gut verstanden.
Von den beiden losgelöst existierten die Kölner Can in einem vollständig eigenem Klangraum. Für mich, da mache ich seit langem keinen Hehl draus, eine der besten und einflussreichsten Bands aller Zeiten und Weiten, unter anderem übrigens auch wegen der Verbreitung der Sounds und Ideen durch Eno und seine populären Produktionsarbeiten. In den USA gibt es im Crossover einen ebenso großen Einfluss (Die Red Hot Chili Peppers zum Beispiel verehren Can) wie für viele College „Art“-Bands, die sich explizit auf Can beziehen, zuletzt bspw. die Secret Machines.
Die anderen „Krautrock“-Bands wie Birth Control, Eloy, Jane usw. sind durchaus heterogen zu sehen, hatten aber in der Regel irgendeinen der amtlichen anglo-amerikanischen Progessive Sounds der damaligen Tage, sangen ja auch (sieht man mal von den meist unsäglichen Agit-Propbands ab bis Lindenberg kam) generell eher auf Englisch. Eloy bspw. hieß bei uns spätetens mit der dritten LP (eine Rockoper, war das „The Ocean?) „Pink Floyd für Arme“, obwohl das Debut durchaus einige Momente hatte.
Meist kamen diese Bands aus der Provinz, wo sie auch dann größere Fanbases hatten. Von 73 bis 75 habe ich Grobschnitt bestimmt 5mal Live gesehen, einfach weil sie aus der Region kamen, in der ich wohnte. Und die waren live klasse, hatten für die Verhältnisse damals eine sehr unterhaltsame und humorvolle Show-Ausrichtung, die Musik unterschritt eine bestimmte Qualität nicht. Richtig groß wurden die aber erst später, ich glaube so mit Rockpommels Land etc. Da habe ich sie aber schon lange nicht mehr gehört.
Erfolg hatten sowohl Bands aus dem einen wie dem anderen Lager, da wird man jeweils genügend Beispiele finden. Dort lag der Trennungsstrich nicht.
@mikko: Guter Überblick in mehreren Epsioden. Die Sympathie für die Ärzte teile ich komplett, die sind einfach sehr entspannt humorvoll. Ähnlich gut gehen Fanta 4 mit Texten um, finde ich, und meist haben sie auch einen guten Flow in der Musik. Das macht einfach Spaß, und es lässt sich gut drauf tanzen.
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