Re: Deutschsprachige Musik

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Close to the edgeLichtjahre entfernt von welchem Distelmeyer ? Zwischen Distelmeyer und Distelmeyer liegen schließlich auch schon mal Lichtjahre.
„1000 Tränen tief“ machte der Münchner Freiheit alle Ehre und das letzte Album war von so konstanter Grauenhaftigkeit, dass es eigentlich eine Tragödie ist dass die Band sich nicht nach der großartigen „Jenseits von Jedem“ schon aufgelöst hat.

Äh, ja, aber die Schritte, die Blumfeld von der anfänglich ungestümen Indiegitarrentruppe vom Schlage früher Sonic Youth (zu SST bzw. „Evol“ bzw. „Sister“ Zeiten), hin zu einem ausladend-opulenten Prefab Sprout-Pop-Entwurf auf Alben wie „Old Nobody“, „Testament der Angst“ oder -schon mit gehörigen Abstrichen- „Jenseits von Jedem“ vollzogen und perfektionierten, sind nicht nur ein willkommener Glückszug gegen die dröge deutsche Indieallmacht jener Zeit, vor allem auch die direkte Hinwendung zum Pathos und zum großen Kitsch, gepaart mit JDs fantastischem Gespür für Lyrik und Prosa und der allzeit wachen und kompetenten Band, trennte die Herrschaften auf Dauer schließlich meilenweit von so unsäglich platten und schwerfällig-starren Plagiaten wie KANTE. Hatte ja auch ganz bewusst was mit logischer Konsequenz und unvermeidbarer Abgrenzung zu tun, was Distelmeyer & Co. da fabrizierten. Mit einer klaren Definition davon, wie ein Pop-Entwurf hierzulande aussehen konnte, wenn man imstande war, sich von aufgedrängten Paradigmen loszulösen und abzuwenden. Der Münchener Freiheit Vergleich ist zwar nach wie vor beliebt, wie es scheint, aber auch nach wir vor schwach, oberflächlich und falsch. Und er wird nicht besser, je öfter man ihn hervorkramt und nachplappert, auch wenn sich mittlerweile ein großer Teil der deutschsprachige Szene wieder drastisch den dumpfen Früh-80er-Einschlägen hinwendet und zurückentwickelt und nichttssagende Künstler wie M.I.A. oder KLEE (um im sogenannten „Indiesektor“ zu bleiben) u.v.m. plötzlich aller Orten auf offene Ohren stoßen, um einen ekelhaften Drang nach Pseudolyrik und Plastikromantik zu bedienen. Hilfe, Polizei!
Klar allerdings auch: Distelmeyer kochte ebenfalls nur mit Wasser, muss man zugeben und da wiederum hast du völlig recht, CTTE, da haben BLUMFELD irgendwann abgebaut. Eine vollständige Verklärung der Band von A-Z dürfte aber selbst glühendsten Verehrern schwerfallen, ist eine so intensive und durchdringende Beschäftigung mit Sprache, Metaphern und Musikalität auf kurz oder lang wohl zwangsläufig am toten Ende angelangt. Die Latzhosenlyrik auf „Jenseits von Jedem“, sowie der verquaste Peter-Lustig-Dada und -Gaga-Schmonz incl. Boogiewoogie und Hippiesingsang auf „Verbotene Früchte“ legen hiervon deutlich Zeugnis ab, sodass man selbst als Bewunderer der Band seinerzeit gar nicht umhin kam, die forcierte Auflösung der Gruppe herbeizusehnen. Wer weiss, was einem alles erspart blieb.

@krautathaus: die von Sonic Juice genannten BLUMFELD Alben sind in der Tat erheblich besser. Wäre bei so einer komplexen Truppe ohnehin chronolgisch vorgegangen, 1-2 LPs willkürlich aus dem Oevre gepickt, verhagelt es einem schon recht deutlich einen gewissen Zugang und einen gewissen Genuss an der Sache, wie du wohl leider auch feststellen musstest. Und auf die BLUMFELD-Berichterstattungen verschiedener Gazetten und Journaillen konnte man spätestens ab dem „Jenseits von Jedem“-Album keinen Pfifferling mehr geben – so unfähig, einfältig und rückständig gerierte sich die diskursive öffentliche Beschäftigung mit Rock- und Popmusik hierzulande nur ganz, ganz selten (Münchener Freiheit). Traurig für jeden, der auf BLUMFELD erst dadurch und zu diesem Zeitpunkt aufmerksam wurde. Und was heißt denn „günstig mitnehmen“? Für „Ich-Maschine“, „L’Etat Et Moi“ und „Old Nobody“ geht man notfalls in die roten Zahlenl!

Sonic Juice(…) vom verkopften, überkomplexen Gemucke bis hin zum Gepansche am Laptop und „miesester Sänger wo gibt“ würde mir z.B. viel eher The Notwist einfallen.

Zustimmung. THE NOTWIST sind musikalisch tatsächlich noch bodenloser als KANTE. Eine völlig leere Hülse (wenngleich Thiessen die Wurst am Mikro bleibt). Ihr vorletzter Erguss („Neon Golden“) bewirkte bei mir aber immerhin, dass ich von deutscher Popmusik solcherart Zuschnitts schließlich endgültig lassen wollte und mir seither auch nie wieder ein Album aus dieser Ecke gekauft habe. Es gibt von NOTWIST jedoch diese 12“ mit den Stücken aus dem „Lichter“-Film von Hans-Christian Schmid, die als kleine Ehrenrettung und als finales Statement dieser Weilheimer Truppe hiermit nochmal genannt werden muss. Die darauf versammelten Stücke sind nämlich allesamt wundervoll! Und wie gut waren Michi und Markus Acher doch beraten, die einzelnen Tracks dort eben NICHT mit ihren Stimmen zuzukleistern – sie hätten ansonsten wieder nur alles verdorben und das wäre in DIESEM Fall wirklich unverzeihlich gewesen.

Deine kleine BLUMFELD Replik ist dir übrigens sehr gelungen, SJ. Sehr fein, klug und treffend, ganz fantastisch. Gefiel mir sehr. Krautathaus sollte hernach schleunigst losgehen und sich die entsprechenden BLUMFELD Tonträger ins Haus holen. Und ein gelegentlicher Abstecher zu den besten Alben der GOLDENEN ZITRONEN schadet auch nicht. Ich ziehe letztere bspw. sämtlichen VÖs von TOCOTRONIC vor.

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