Re: Real, virtuell, optional? – Was ist eine offizielle Veröffentlichung?

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sunspot

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fokaMir fällt gerade ein Kriterium ein, das hier noch nicht berücksichtigt wurde und das mir sehr hilfreich scheint. Warum richten wir uns nicht einfach nach dem Willen des Künstlers? Soll heißen, wenn der Künstler offensichtlich seinen Schaffensprozess abgeschlossen hat und „das Album im Kasten ist“, und nach seiner Intention das Produkt die angestrebte Zielgruppe errreichen kann, dann muss es doch wohl unstrittig in eben diesem Jahr veröffentlicht sein. Zack. Das bezöge Downloads und jede noch so limitierte Erstpressung ein, und wäre dem Willen des Künstlers am nächsten. So, jetzt kommt Ihr!:-)

Ich wäre sofort und auf der Stelle für diese Lösung – leider funktioniert die nur bei Künstlern, die für ihre Werke auch die Copyrights besitzen und nicht auf das OK einer Plattenfirma angewiesen sind. Auch auf die Gefahr hin, wie eine Marketingbeauftragte zu klingen, möchte ich dazu noch einmal ein Beispiel aus dem Hause NIN anbringen. Da kenne ich mich nun mal aus, und dort geht in Sachen Digitale Vermarktung und Interessenkonflikt Künstler/Label auch seit ein paar Jahren schwer die Post ab.

Die Mitte der 90er als VHS erschienene Tour-Doku „Closure“ wurde für eine DVD-Umsetzung digital aufbereitet, poliert, um 90 Minuten Bonusmaterial ergänzt und für eine VÖ Ende 2004 eingeplant. Soweit alles schick, das Material war produktionsfertig aufbereitet, auf der Website der Band gab es Teaser-Trailer zu bestaunen, die den Fans den Mund mehr als wässrig gemacht haben – und dann kam nichts. Die VÖ war Interscope/Universal finanziell zu riskant und wurde bis Ende 2006 zurückgestellt. Und dann kam nicht etwa eine einwandfrei lizensierte und industriell gefertigte VÖ auf den Markt (die sich für ihr Genre wie von selbst verkauft hätte, btw), sondern Trent Reznor ist schlicht der Geduldsfaden gerissen (den steigenden Frust um die Verweigerung des Labels konnte man in der Spiral live mitverfolgen). Um Weihnachten herum tauchte „Closure“ in der Piratenbucht auf, fix und fertig gemastert für zwei Doublelayer-DVDs, in höchster Qualität, dazu ein Hinweis in seinem Blog, dass man „ihr wisst schon wo“ etwas finden wird, was man sich von ihm aus ohne schlechtes Gewissen ziehen kann. Kann, nicht darf.

Der Künstler war in diesem Fall zwar moralisch im Recht und hat seinen Dickkopf nicht ganz hasenrein durchgesetzt, aber nach weltlichem Recht (:lol:) ist das trotzdem keine reguläre Veröffentlichung. Ich plädiere deshalb nach wie vor dafür, dass eine VÖ dann stattgefunden hat, wenn der Copyrightinhaber ein Werk in einer Form zur Verfügung stellt oder in Verkehr bringt, die dem Konsumenten die Aneignung unter Berücksichtigung vorher definierter Regeln und Lizenzen ermöglicht. Sei es der Erwerb eines physischen Tonträgers oder der Download einer Datei, egal ob kostenpflichtig oder umsonst.

Hab ich das nicht schön verschwurbelt ausgedrückt? :-)

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