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Hier die fertige Kritik:
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Ende des letzten Jahres verdichteten sich die Nachrichten, dass die Arbeiten am dritten Portishead-Album kurz vor der Vollendung stehen. „Third“ wird nun, nachdem es Mitte März in Berlin einem exklusiven Publikum zum ersten Mal live präsentiert worden war, Ende April erscheinen. Zur weiteren Einstimmung begaben sich Portishead auf eine Tournee, die am vergangenen Sonntag im restlos ausverkauften Palladium in Köln gastierte.
Lange Zeit erschien es so, als existierten Portishead nicht mehr. Nach Veröffentlichung ihres zweiten Albums 1997 und einer anschließenden Tournee, verfolgte Sängerin Beth Gibbons zunächst ihre Solokarriere und veröffentlichte gemeinsam mit dem ehemaligen Talk Talk-Bassisten Paul Webb aka Rustin’ Man das grandiose Out of Season. Daher war es überraschend, dass sich die Band anschließend wieder zusammenfand, auch wenn die Veröffentlichung eines weiteren Albums zunächst eher unwahrscheinlich schien. Bevor die entsprechend sehnsüchtig erwarteten Portishead die Bühne des Palladium betreten, haben jedoch Kling Klang ihren großen Auftritt.
Offensichtlich wird die aus Liverpool stammende Band von einer kleinen, aber lautstarken Fraktion Fans unterstützt, die jede Bewegung der Band bejubelt. Für die meisten Uneingeweihten ist die Musik jedoch nichts weiter als bombastisch aufgedonnerter Instrumentalrock, der alle Dimensionen der Belanglosigkeit sprengt. Die Band sieht sich offensichtlich als Nachfolger der Krautrockbands der 1970er, ohne jemals deren Ausdrucksstärke und Kreativität zu erreichen. Beeindruckend ist allenfalls der technische Aufwand, den die vier Verantwortlichen für ihre emotions- und spannungslose Musik betreiben. Während das Publikum spärlich applaudiert, spulen die Engländer ihr prätentiöses Programm humorlos herunter. Daher ist es passend, dass einer der Songs Away Defeat (Auswärtsniederlage) heißt: Im Ursprungsland des Krautrocks konnten die Engländer keinen Blumentopf gewinnen.
Nach einer kurzen Pause betreten die zum Sextett erweiterten Portishead die Bühne. Neben Sängerin Beth Gibbons, Gitarrist Adrian Utley und Geoff Barrow, verstärken ein Bassist sowie zwei Drummer die Band. Dass die Namen der Begleitmusiker nirgendwo herauszufinden waren, ist vermutlich Teil des Konzepts.
Die Musiker schaffen einen dichten Klangteppich, den Beth Gibbons zauberhafte, gefühlvolle Stimme durchdringen muss. Und genau darin besteht das Problem des Auftritts. Viele der Nuancen, die so zentral für die Wirkung von Portishead sind, gehen in dieser Atmosphäre verloren. Beth Gibbons Stimme, die in kleinen und kleinsten Schattierungen ihre Kraft entfaltet, wird häufig von der dichten Klangwand überlagert. Während auf den Studioveröffentlichungen die Balance zwischen Musik und Gesang perfekt gelingt, wirkt die Liveperformance überfrachtet und steril.
Portishead haben sich fraglos bemüht, ihren Sound möglichst authentisch und klar umzusetzen. Die Musik ist nicht etwa zu laut oder übersteuert, sondern zu dicht und durchdringend. Beth Gibbons Stimme benötigt Raum zur Entfaltung und die Musik verwehrt ihr diesen, schränkt und engt sie ein, so dass ein Teil ihrer Wirkung verloren geht. Es ist allerdings auch keine Lösung die Begleitung ausnahmsweise – wie bei Wandering Star –auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn das geschieht fehlen die Kontraste und das Wechselspiel zwischen Musik und Gesang, mithin die kleinen Akzentuierungen, in denen die Musik ihre emotionale Wirkung gewinnt.
Dass das Konzert dennoch kein Desaster, sondern lediglich eine leichte Enttäuschung ist, liegt an der Stärke der Songs sowie am kompetenten Auftreten von Portishead. Klassiker wie Glory Box, Numb, Mysterons, Cowboys oder Sour Times sind immer noch beeindruckend und neue Songs wie Hunter, The Rip, Magic Doors oder das gewaltige Machine Gun deuten an, dass es der Band mit dem Album Third gelingen könnte, an frühere Großtaten anzuknüpfen. Dennoch bleibt der hypnotische Sog aus, den die Musik von Portishead auf ihren Alben entwickelt.
Erfreulich ist allerdings die Wandlung von Beth Gibbons. Wirkte sie vor einigen Jahren, beispielsweise bei ihrem Auftritt in Frankfurt anlässlich der Out Of Season-Tour noch hypernervös und schüchtern, genießt sie diesmal sichtlich das Konzert. Während die übrigen Musiker weitgehend stoisch auf der Bühne verharren, spricht sie zum Publikum und schüttelt sogar einigen Fans die Hände. So gut gelaunt hat man die zierliche Sängerin selten erlebt.
Das Publikum nimmt die Unzulänglichkeiten des Auftritts offensichtlich nicht wahr oder stört sich nicht daran. Es bejubelt die Band frenetisch und feiert insbesondere Beth Gibbons. Einzelne Zuschauer berichten später vom Konzert des Jahres oder vom besten Auftritt, den sie seit Jahren oder sogar jemals erlebt hätten. Dieser Meinung können wir uns nicht anschließen, auch wenn es zu wünschen wäre, das genauso zu sehen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.