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Charaktere, das heißt für mich: Menschen, die idealerweise mit einem Mindestmaß an Komplexität gezeichnet sind und die es ermöglichen, sich ihnen während des Plots emotional zu nähern, mit ihnen zu leiden, zu lachen, zu lieben, zu hassen (oder sie zu hassen), im besten Fall entwickeln oder verändern sie sich sogar im Laufe der Handlung. Das hat für mich Romeros frühere Zombie-Filme ausgemacht, er hatte zumindest immer interessante – meinetwegen – Typen kreiert, wenn auch mit unterschiedlicher Tiefe. Es gab glaubhafte Konflikte. Insbesondere bei Horrorfilmen, wenn sie als solche funktionieren sollen, halte ich das für eine wichtige Zutat, weil einem sonst ohnehin gleichgültig ist, was den Protagonisten wiederfährt.
Bei „Diary Of The Dead“ gibt es keine solchen Typen, die einzige, halbwegs interessante Gestalt bringt sich schon nach 10 Minuten aus lausiger Motivation um. Überhaupt sind die Beweggründe der Kids hier oft rätselhaft bis egal, der Hauptdarsteller (?) bleibt ohnehin die ganze Zeit hinter der Kamera versteckt; seine Freundin (?) steigt dann mal eben vor Elternhaus aus dem Bus und verabschiedet sich von den anderen, als würde es morgen ins College gehen. Angst, Irritation, Sorge, Schock, Apathie ist nicht erkennbar oder jedenfalls nicht glaubhaft inszeniert. Die Gruppe wird laufend dezimiert, das spielt aber schon in der nächsten Einstellung keine Rolle mehr. Damit funktioniert das Ganze nicht als Horrorfilm, zumal man die Klischee-Schock-Szenen auch schon anderwo (auch bei Romero selbst natürlich) schon tausendfach gesehen hat. Applaudiert wird nur noch für besonders kreatives Zombie-Killing. Im Übrigen: Die ersten 10 Minuten von „28 Weeks Later“ (im übrigen ja ein mieser Streifen) reißen „Diary of the Dead“, was Tempo, Dichte, Action und Spannung angeht, in Fetzen.
Dafür kümmert sich Romero in unendlicher Sorgfalt um eine stringente, logische Inszenierung des Doku-Styles, der aber mit jeder expliziten Rechtfertigung auffälliger und damit unglaubhafter wird. Beispiel: die Erzählstimme am Anfang erklärt uns, dass sie das Filmmaterial für die Nachwelt aufbereitet und zusammengeschnitten habe und spannende Momente mit Musik (!) unterlegt habe, z.B., wie wir später sehen, als ihr Zombie-Bruder sie überfällt? Auf das bisschen Sound und Musik hätte man sonst ohnehin nicht geachtet, aber so wird man quasi auf die Schwächen gestoßen. Entsprechendes gilt für das wiederholte Erklären, wie man an die Sicherheitskamera-Aufnahmen kommt und dass man sie jetzt in den Film einbaut. Überflüssig. Ablenkend.
„Night“ und „Dawn“ halte ich deswegen für so herausragend, weil sie nahezu kammerspielartig inszeniert sind und die Konflikte der Protagonisten in den Mittelpunkt stellen, die Zombies sind eigentlich nur der Katalysator für deren Interaktion. „Day“ hat zwar die grob gestrickteren Typen, ist dafür aber einfach ein verdammt guter, schmutziger Horrorfilm, der im übrigen sehr wohl eine Handlung hat und nicht einfach von Schauplatz zu Schauplatz eilt. Soviel Charakter wie der Frankenstein-Zombie hat doch niemand in „Diary“! Und „Land“ hat immerhin Hopper und Argento.
Wie gesagt, was mir am meisten fehlt, ist der analytische, aber zugleich empathische Blick Romeros auf seine Protagonisten. Die sind hier Schießbudenfiguren, an die ich mich schon am Tag darauf nicht mehr genau erinnern kann. Was uns Romero schließlich im Jahr 2008 über die Medienlandschaft, Nachrichten-Verschwörungen und die Generation Myspace sagen will, ergeht sich in Allgemeinplätzen und bringt einem PC-Benutzer unter 50 doch ohnehin keine neuen Einblicke.
Im Übrigen schreibst Du ja zu den Punkten, die ich bemängel, nichts, lobst dafür nur technisches. „Virtuose Narrationsmontage“, „souveräner Umgang mit filmischen Mitteln“, geschenkt. Das macht keinen guten (Horror-)Film. Fandest Du den Film denn spannend, mitreißend, bewegend, erschreckend? Gab es für Dich irgendeinen interessanten Typen, den Du nicht gestern schon wieder vergessen hast? Hast Du danach über mehr nachgedacht als über Kameraperspektiven?
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