Re: Bill Callahan

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nail75

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monoton@ nail75
Ich habe Deine Fragen mal aus thematischen Gründen mit hierhin genommen. Ich hatte mir nach meinem Konzerterlebnis schon überlegt, hier ein kurzes Statment abzugeben, aufgrund der vielen euphorisierten Beiträge wollte ich aber niemandem den Spaß verderben.

Also wegen mir musst Du keine solche Zurückhaltung üben, es ist nicht möglich mir im Rückblick den Spaß zu verderben. :-)

Das diesjährige Konzert war mein erstes, auf das ich mich eigentlich sehr freute. Am Veranstaltungsort mußte ich jedoch feststellen, dass sich auf der Bühne ein eitler und selbstverliebter geleckter Seitenscheitel im billigen Polyester Anzug befand, der den östrogen Spiegel der schmachtenden Zuhörerschaft mit seinem raunenden Bariton von einer Extase zur nächsten beförderte. Ohne jede Selbstironie.

Bist Du Dir da so sicher? Callahan hat ja eigentlich null Entertainment-Qualitäten und ist sehr spröde und unzugänglich. Ich finde sein Aussehen schon ironisch, aber ehrlich gesagt interessiert mich das auch nicht besonders weder im positiven noch im negativen Sinn.

Für mich war das eigentlich unerträglich, so dass ich nach dem 2. Song gut hätte gehen können, um einen früheren Helden in Würde zu begraben zu können. Da meine Lebensgefährtin aber „Enrique Iglesias“ gar nicht so übel fand, durfte ich noch erleben, wie Callahan sich für einen Tanz (er drehte sich hüpfend um sich selbst) feiern ließ und er eine Mundhamonika anlegte, um dann einen (ich wiederhole: EINEN) Ton darauf zu spielen.

Naja…

Das simpel stampfende „America“, welches wohl sicher den Tiefpunkt des aktuellen Albums bildet, war für mich das Konzerthighlight, da es mal eine Alternative zum sich-selbst-anschmachten und von anderen angeschmachtet zu werden war.

Dieses angebliche „Anschmachten“ finde ich ja auch eine äußerst bizarre Interpretation. Ich kann das ehrlich gesagt gar nicht nachvollziehen und würde Dich am liebsten Fragen, ob Du Lana Del Rey mit Bill Callahan verwechselst? Eigentlich freut es mich, wenn er sich nicht so stocksteif und verkrampft gibt wie so häufig in der Vergangenheit.

Dass das simple Stampfen von „America“ aber einen tieferen Sinn hat (siehe dazu den Text) ist Dir nicht entgangen, oder?

Im Anschluß an das Konzert wurde es im Hause monoton zum running-gag, „America“ zu shouten und sich mit der Luftgitarre hüpfend im Kreis zu drehen.

:-)

Also eigentlich konnte ich jetzt meine Callahan Platten zum Roten Kreuz geben, sollen die in Somalia sich doch damit rumärgern.

Dann entdeckte ich Rezensionen zu Callahans Buch „Briefe an Emma

Bowlcut“, die in mir die Hoffnung nährten, ich könne doch noch (wieder) eine andere Seite entdecken. Und so war es auch. Das englische Original ist sicher besser, doch auch in der Übersetzung kommen Einsamkeit, Lyrik und trotz „ich-Briefen“ eine Form von Zurückgenommenheit zu Tage.
http://www.amazon.de/Briefe-Emma-Bowlcut-Bill-Callahan/dp/3852862132/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1324457966&sr=8-1

Interessant. Das war mir zwischenzeitlich vollkommen entfallen.

--

Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.