Re: Bill Callahan

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monoton

Registriert seit: 07.02.2010

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nail75Was war an dem Callahan-Konzert unerträglich? Hattest Du ihn zuvor schon mal live erlebt? Von einem Buch weiß ich auch nichts. Magst Du Smog/Callahan generell nicht?

@ nail75
Ich habe Deine Fragen mal aus thematischen Gründen mit hierhin genommen. Ich hatte mir nach meinem Konzerterlebnis schon überlegt, hier ein kurzes Statment abzugeben, aufgrund der vielen euphorisierten Beiträge wollte ich aber niemandem den Spaß verderben.

Ich kenne und schätze Callahan (Smog) seit „Julius Caesar“ (1993) und habe seinen Veröffentlichungen bis einschließlich „Knock Knock“ entgegengefiebert, danach machte ich vermeintliche Stagnation aus und bin erst wieder bei „A River Ain’t Too Much to Love“ eingestiegen, das ich kurzzeitig für Top100-wert hielt.
Das diesjährige Konzert war mein erstes, auf das ich mich eigentlich sehr freute. Am Veranstaltungsort mußte ich jedoch feststellen, dass sich auf der Bühne ein eitler und selbstverliebter geleckter Seitenscheitel im billigen Polyester Anzug befand, der den östrogen Spiegel der schmachtenden Zuhörerschaft mit seinem raunenden Bariton von einer Extase zur nächsten beförderte. Ohne jede Selbstironie.
Für mich war das eigentlich unerträglich, so dass ich nach dem 2. Song gut hätte gehen können, um einen früheren Helden in Würde zu begraben zu können. Da meine Lebensgefährtin aber „Enrique Iglesias“ gar nicht so übel fand, durfte ich noch erleben, wie Callahan sich für einen Tanz (er drehte sich hüpfend um sich selbst) feiern ließ und er eine Mundhamonika anlegte, um dann einen (ich wiederhole: EINEN) Ton darauf zu spielen.
Das simpel stampfende „America“, welches wohl sicher den Tiefpunkt des aktuellen Albums bildet, war für mich das Konzerthighlight, da es mal eine Alternative zum sich-selbst-anschmachten und von anderen angeschmachtet zu werden war. Im Anschluß an das Konzert wurde es im Hause monoton zum running-gag, „America“ zu shouten und sich mit der Luftgitarre hüpfend im Kreis zu drehen.
Auch als Einführung eines Berichts im RS (2011) lag Callahan über zwei Din-A-4 Seiten drappiert und sah verträumt in die Kamera. Es fehlte nur das Bärenfell und eine rote Rose im Mund. KOTZZZZ!!!

Also eigentlich konnte ich jetzt meine Callahan Platten zum Roten Kreuz geben, sollen die in Somalia sich doch damit rumärgern. Dann entdeckte ich Rezensionen zu Callahans Buch „Briefe an Emma Bowlcut“, die in mir die Hoffnung nährten, ich könne doch noch (wieder) eine andere Seite entdecken. Und so war es auch. Das englische Original ist sicher besser, doch auch in der Übersetzung kommen Einsamkeit, Lyrik und trotz „ich-Briefen“ eine Form von Zurückgenommenheit zu Tage.
http://www.amazon.de/Briefe-Emma-Bowlcut-Bill-Callahan/dp/3852862132/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1324457966&sr=8-1

Zur Veranschaulichung muß ich leider nikodemus zitieren, da dort wirklich fast alles zum Tragen kommt

nikodemus … Highlights waren für mich neben des Meisters Tanzeinlagen und seiner artistischen Harmonica auch seine beiden kongenialen Partner, die die ganze Studioarrangements gut umsetzt haben… // … Bemerkenswert auch die natürliche Autorität und Ausstrahlung von Callahan, sodass keiner es wagte zu applaudieren bis auch der letzte Ton verstummt ist (geschweige denn während des Vortrags zu sprechen). Top!

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