Re: Vom Sinn und Nutzen der eigenen Plattensammlung

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daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

Beiträge: 1,253

Ich habe eben kurz in einem anderen Thread die Diskussion über Sammeln etc nachverfolgt. Zufällig lese ich gerade ein Buch, in dem viel von genau diesem Thema die Rede ist. Ich finde aber, dass es eher in diesen Thread gehört:

„Der Tonträger spielt im Dasein eines Pop-Besessenen eine zentrale Rolle, doch ist dieser … nicht automatisch auch ein Sammler. Die beiden Typen sind zwar durch keine klare Grenze getrennt, sondern durch eine Grauzone ähnlich zwanghafter Verhaltensweisen verbunden, doch liebt der Besessene, wie ich es jedenfalls mir und den anderen gerne einzureden pflege, in erster Linie den Ton und nicht den Träger.“

So Christian Gasser in dem übrigens sehr lesenswerten und locker geschriebenen Buch „Mein erster Sanyo – Bekentnisse eines Pop-Besessenen“. Ich denke, nahezu jeder hier im Forum wird sich zumindest in einigen Aspekten der biographischen „Geständnisse“ Gassers wiederfinden können, deshalb hier eine Empfehlung zur Lektüre.

Interessant auch, was Gasser zum Besitzerstolz von Originalausgaben etc. zu sagen hat:

„Das ist aber nicht der Stolz des Sammlers auf den Besitz des Seltenen und Wertvollen – dem Besessenen geht es vielmehr um den Beweis, diese Platten gleich bei Erscheinen, also früher als seine Mitmenschen, gekauft zu haben. („Snobismus und Angeberei!“ spottet eine böse Zunge. Na und?). Die Plattensammlung spiegelt sein Leben wider wie ein Tagebuch, und deshalb ist es für ihn, wenn er sie heute um ein fehlendes Album … ergänzt, bedeutungslos, ob es sich um das Original handelt oder eine Wiederveröffentlichung – es sei denn, er ist ein Hochstapler, der sich eine erlogene Biografie zusammenkauft.“

Und zu guter Letzt:

„Der wahre Pop-Besessene besitzt nicht, er wird besessen: er hat nicht nur gern gute Platten, sondern noch lieber viele gute Platten, trotzdem hat er kein Bedürfnis nach kompletten Kollektionen, er braucht nicht jede Single und alle Bonus-Tracks eines Musikers, und er ist zu großen Säuberungen sehr wohl fähig … Der Pop-Besessene ist ein Jäger, der immer wieder neue Musik aufspüren muss, um seine Gier zu befriedigen, und deshalb ist er mit dem Drogensüchtigen näher verwandt, als ihm lieb ist.“

Meine diesbezügliche Besessenheit ist übrigens bereits in den 80er Jahren irgendwann in eine tiefe emotionale Leere gemündet, die sich trotz der stetigen Erhöhung der Dosis an bestimmten Punkten nicht mehr überspielen ließ – der typische Verdruss eines Süchtigen wohl. Ich habe es gelöst, in dem ich mich der Musik aktiv genähert habe. Für mich war das jedenfalls besser und nachhaltig befriedigender.

Schon sehr lange kann ich natürlich auch Musik wieder mit Gewinn hören, nur hat sich mein Verhältnis dazu deutlich verändert, vor allem hat es sich klar entspannt. Manche Diskussionen hier wirken auf mich manchmal leicht gespenstisch, weil vieles mir zwar bekannt vorkommt, aber eher als schemenhafter Wiedergänger aus längst vergessenen Emanationen meines Lebens wirkt. Sag‘ ich mal.

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The only truth is music.